Im Gespräch mit Kenneth Wapnick
(Übersetzung aus: Miracle Worker, Ausgabe 97, Nov/Dec 2010)
Ein Kurs in Wundern
Im Folgenden handelt es sich um eine Kombination zweier Interviews, eines geführt von D. Patrick Miller, das andere von Susan Dugan.
Auf dem Weg ins Kloster widerfuhr Kenneth Wapnick, dass er ein Manuskript entdeckte, das seinem Leben eine andere Richtung gab: Ein Kurs in Wundern.
Aufgewachsen in einem jüdischen Elternhaus in Brooklyn, New York, und auf eine hebräische Schule geschickt, wandte er sich von organisierter Religion und dem Glauben seiner Familie ab, aber trotz alledem mit einer Ahnung von etwas jenseits einer Welt von Körpern. „Ich wuchs in einer Familie mit viel Krankheit auf“, sagt er. „Und es wurde mir klar, dass Krankheit nichts mit dem Körper zu tun hat; dass es im Geist geschieht.“
Wapnick jedoch hielt sich selbst bis zur Highschool für einen Atheisten, anerkannte nur Mozart und Beethoven als seine ‚spirituellen Lehrer’. Seine Hinwendung in der Teenagerzeit zu klassischer Musik bestärkte seine Ahnung (Anm. d.Ü.: gemeint wohl im obigen Sinne, dass es jenseits des Körpers im Geist anfängt). „Das war mein Durchbruch und dann mein Sichtfenster“, fügt er hinzu. „Es ließ mich erkennen, dass es da mehr gab, als man sehen, studieren und verstehen kann. Es war mein Tor zur Spiritualität.“
Sein Interesse war erwacht, Ken studierte verschiedene spirituelle Lehren, während er sein Geld als Ph.D. in Psychologie verdiente und gerade leitender klinischer Psychologe in einer psychiatrischen Anstalt geworden war. Für seine Doktorarbeit in Psychologie hatte es Wapnick zur Mystikerin Heilige Teresa von Avila und zum Studium ihrer Lehre hingezogen, wobei er „all ihre Hinweise auf Gott und Jesus als Metaphern für etwas anderes“ begriff.
Nachdem seine erste Ehe im Jahre 1970 endete, merkte Wapnick, dass sein Leben zunehmend einsamer und mönchischer wurde, und er fing an, die Bücher von Thomas Merton zu lesen. Schließlich ließ Wapnick sich katholisch taufen und besuchte zwei Klöster in Israel, das eine in Jerusalem als dem Ort, wo er sich niederlassen wollte: die Abtei von Gethsemane, wo Merton gelebt hatte. Und dort beschloss er, dass es seine persönliche Bestimmung war, ein Mönch zu werden.
Bevor er jedoch nach Israel ging, wurde Wapnick durch einen gemeinsamen Freund den Kurs-Schreibern Helen Schucman und William Thetford vorgestellt. Als er 1972 aus Israel zurückkehrte, um noch die letzten losen Fäden seines Lebens in den Vereinigten Staaten zu ordnen und verknüpfen, traf sich Wapnick mit Schucman und schaute dann auf den Stapel von abgetippten Bänden, die dann seinem Leben eine andere Richtung gaben und die später als Ein Kurs in Wundern bekannt wurden. Er war, wie er sagte: „sprachlos. Ich fand, es war das Schönste, was ich seit Shakespeare gelesen hatte, und dass es wirklich etwas aussagte. Ich brauchte nur wenige Tage, um mir klar zu werden, dass das künftig mein Leben sein würde.“
Ken, Helen und Bill wurden schließlich Freunde. Unter der Führung Jesu arbeitete Ken ein Jahr lang eng mit Helen zusammen, um das endgültige Manuskript von Ein Kurs in Wundern zu erstellen, zu bearbeiten, die Groß- und Kleinschreibung und die Zeichensetzung einheitlich zu gestalten und in der Ursprungsform Untertitel einzufügen. Ken hat ausgiebig über den Kurs geschrieben und seine Botschaft über 30 Jahre hinweg gelehrt. Er und seine zweite Frau Gloria gründeten die gemeinnützige ‚Foundation for A Course in Miracles’ (FACIM) an der Ostküste der USA und verlegten später ihr expandierendes Lehrinstitut nach Temecula, Kalifornien.
Frage (F): Sie hatten eine unmittelbare Beziehung zu Helen und Bill und dem Kurs.
KW: Ich erkannte, dass sie meine Familie waren und ich zu ihnen und dem Kurs gehörte. Obwohl ich im Kloster sehr glücklich war, wusste ich, dass das nicht mein Zuhause werden würde. Als ich begann, den Kurs zu lesen, wurde mir immer deutlicher, dass dies die perfekte Integration von Spiritualität und Psychologie war. Ich konnte mich Gott ebenso nah wie im Kloster fühlen, und doch meine Psychologie beibehalten, in Bezug auf die Arbeit, die ich künftig tun würde. Der Kurs gab mir einen Weg, in der Welt, aber dennoch nicht von ihr zu sein.
„Als ich im Kurse zu lesen begann,
wurde mir immer deutlicher,
dass dies die perfekte Integration von
Spiritualität und Psychologie war.“
Enormes Vertrauen
F: Schien Ihnen die Übermittlung des Kurs-Materials durch Helen Schucman immer glaubhaft?
KW: Ich glaubte fest an Helen und vertraute ihr bedingungslos. Ich wusste, dass an ihr keinerlei Unehrlichkeit war. Was sie über das, was geschehen war, sagte, war einfach vernünftig. Helen hatte den Kurs nicht geschrieben. Wenn Helen und ich dabei waren, das Material zu bearbeiten, war sie in der Tat manchmal über bestimmte Passagen bestürzt. Wir lasen etwas laut vor, und sie lachte auf und sagte: „Ich verstehe nicht, was das bedeutet!“ Also bestand mein erstes Kurs-Lehren überhaupt darin, Helen zu verstehen helfen, was er bedeutete.
F: Warum musste Jesus solch einen besonderen Weg wählen – seine Botschaft durch den Geist einer religiös zwiespältigen Psychologin zu übermitteln – , um mit der modernen Welt zu kommunizieren?
KW: Helen war sehr gespalten, aber ein Teil von ihr agierte auf einer hohen spirituellen Ebene. Auf dieser Ebene konnte sie eine Einheit mit Jesus zwecks Übermittlung des Kurses bilden. In gewisser Hinsicht könnte man sagen, dass Helen eine Psychologin wurde, damit der Kurs in der Art, wie er es tat, hervorkommen konnte – in einer diesem psychologischen Zeitalter angemessenen Form.
Bedeutung von Sigmund Freud
Helen war eine Freudianerin, die die Psychoanalyse sehr gut verstand. Ich denke, dass der Kurs aus diesem Grund die Bedürfnisse des modernen westlichen Geistes so unmittelbar getroffen hat. Ich glaube, Freuds Arbeit war extrem wichtig für die spirituelle Entwicklung unserer Kultur. Heutzutage scheint es, dass Jung der Gute ist und Freud der Bösewicht, aber ich denke, dass Freuds spiritueller Beitrag, trotz seines aktiven Widerstands gegen Religion, unvorstellbar war. Sogar Jung sagte: „Ich bin wie Josua, der auf den Schultern von Moses steht.“
F: Wie kam es zur ‚Foundation’?
KW: Sie begann als eine Organisation, die mein Lehren unterstützen sollte. Ich habe mich nie als jemanden gesehen, der einer großen Organisation vorsteht, vor großen Gruppen lehrt, all das schreibt, oder irgendwelche Formalien erledigt, was ich eben alles so getan habe. Das hat sich einfach auf natürliche Weise ergeben. An dieser Stelle käme ich in Verlegenheit, wenn ich sagen müsste, was ein Lehrer des Kurses ist. Der Kurs sagt, was jemanden zu einem Lehrer macht, ist, dass er nicht irgendjemandes Interessen als getrennt von seinen eigenen ansieht. Also hat es nichts zu tun mit irgendeiner Form oder mit einer formalen Ebene. Die Vorstellung, zum Beispiel Zertifikate auszugeben, wäre mir ein Gräuel.
F: Unter Berücksichtigung des jeweiligen Charakters und der jeweiligen Vorgeschichte von Helen, Bill und Ihnen ist es mir immer paradox vorgekommen, dass der Kurs allgemein als ein Beispiel für New-Age-Spiritualität bezeichnet wird. Werden nicht viele Leute, die zu Ihnen zum Lernen kommen, ernüchtert durch die wahre Natur des Kurses?
KW: Ich weiß nicht, ob ich es Ernüchterung nennen würde, aber einige Leute müssen doch erkennen, dass der Kurs kein magischer, leichter Pfad zur Erfüllung ist. Dies ist eine ernsthafte Angelegenheit, die viel Studium und Einsatz erfordert.
F: Einige Menschen, die den Kurs nicht mögen, sagen: „Er ist mir einfach zu massiv“, oder: „Er ist mir einfach zu christlich; da ist zu viel von ‚Sohn Gottes’ und ‚Heiliger Geist’ die Rede.“ Sehen Sie die dichte Ausdrucksweise des Kurses und die religiöse Sprache als ein durchaus beabsichtigtes System einer Vorauswahl?
KW: Ja, ich denke, es ist kein Zufall, dass die Satzstruktur schwierig ist. Wenn Sie Shakespeare mögen, werden Sie die Ausdrucksweise lieben, aber es wird dadurch nicht irgendwie leichter zu verstehen. Die Begriffe werden nicht auf lineare Weise erklärt, mit klar vorgegebenen Definitionen und logisch aufeinander aufbauenden Grundsätzen. Die Logik des Kurses ist eher zyklisch oder, wie ich es nennen würde, symphonisch.
Ich habe es niemals so empfunden, dass er als ein populäres Buch für die breite Masse gedacht war. Er ist nicht leicht zu lesen. Seine Botschaft ist nicht verborgen im Sinne von geheimnisvoll, aber man muss Jahre daran arbeiten, sein Ego-Denksystem aufzuheben, um in der Lage zu sein, den Kurs zu verstehen.
F: Was sind einige häufige Missverständnisse bezüglich des Kurses? Was ist er Ihrer Meinung nach nicht?
KW: Wir verbringen in der Tat sehr viel Zeit damit, den Leuten erkennen zu helfen, was der Kurs nicht ist: er ist nicht biblisch; weder Judaismus noch Christentum, Christliche Wissenschaft; New Age, Joel Goldsmith, oder Edgar Cayce. Der häufigste Fehler, den die Leute machen, ist, ihren früheren spirituellen oder religiösen Weg auf den Kurs draufzusetzen. Das ist ein nachvollziehbarer Fehler, aber solange man ihn macht, wird man nicht begreifen, was der Kurs aussagt. Ich denke, dass das auch mit Jesus so geschehen ist. Das Neue Testament wurde aus der Sicht des Alten Testaments geschrieben, daher wurde Jesus zu einer Erfüllung der Prophezeiungen des Alten Testaments. Ich denke, der wirkliche Jesus ist in all dem abhanden gekommen.
Im Wesentlichen sagt der Kurs, dass nur der reine Geist wirklich ist und dass es nichts anderes gibt. Er sagt auch, dass Gott nichts mit der Welt der Materie zu tun hat. Er sagt, dass die eigentliche Rolle von Jesus, oder dem Heiligen Geist, nicht die ist, Probleme für Sie zu lösen, sondern eine liebende Gegenwart in Ihrem Geist zu sein, die Sie erinnert, die Welt von Zeit und Materie nicht als wirklich anzunehmen. In der Verbindung mit Jesus berichtigen Sie Ihre falsche Wahrnehmung. Das ist etwas ganz anderes als zu Jesus zu beten, dass er Ihre Probleme in dieser Welt löst, oder dass er Ihnen sagen soll, was Sie tun sollen.
F: Glauben Sie, dass EKIW-Schüler verwirrt werden, wenn sie es nicht schaffen, die Grundlage des Kurses zu akzeptieren?
KW: Wenn der Kurs sagt, die Welt ist eine Illusion, meint er das in wörtlichem Sinne. Die Folgen, die sich daraus ergeben, entziehen sich oft den Menschen, einfach weil sie nicht erkennen, wie tiefgreifend wir mit dem Körper identifiziert sind. Wir sehen den Kurs durch die Augen unseres Körpers, und wir denken, Jesus ist ein Körper, der zu mir als Körper spricht, mir sagt, ich sollte Ihnen vergeben als einem Körper. Es hat damit nichts zu tun, weil es keinen Körper gibt; es ist alles in meinem Geist vollbracht. Es ist das Missverständnis über den Geist und den Körper, das in Kapitel 2 als Verwechslung der Ebenen bezeichnet wird. Alle Missverständnisse – die Rolle des Heiligen Geistes, der Zweck des Kurses, sich einer Führung überantworten, eine Stimme hören – rühren daher, dass nicht verstanden wird, dass es buchstäblich keinen Körper gibt, keine Welt. Wenn man das einmal verstanden hat, wird alles wunderbar klar.
Herausforderung der Psychotherapie
F: In seinem Buch The Road Less Traveled (Anm.d.Ü.: die dt. Ausgabe trägt den Titel Der wunderbare Weg; Untertitel: Eine neue spirituelle Psychologie) schreibt M. Scott Peck, dass die Herausforderung der Psychotherapie nicht darin besteht, die Menschen dahin zu bringen, dass sie erkennen, was in ihrem Leben falsch läuft, sondern dass sie etwas mit der Art und Weise, wie es in ihrem Leben dazu gekommen ist, anfangen. Kann man das nicht vergleichen mit der Schwierigkeit, die der Kurs aufweist?
KW: Ich stimme Peck nicht ganz zu. Ich denke, die meisten Menschen sind sich bewusst, dass etwas in ihrem Leben verkehrt läuft, aber sie wissen nicht, was es ist – nämlich ihre andauernde Entscheidung, getrennt von Gott zu bleiben. Es erfordert viel Arbeit, das einfach zu verstehen. Aber wenn man erst einmal dahin gekommen ist, wird man automatisch ‚noch einmal wählen’, wie es der Kurs ausdrückt. Sobald man sich über diese Entscheidungen vor sich selbst im Klaren ist – und dass man allein verantwortlich für sein Leben ist, weil es der eigene Traum ist – wird man die richtige Wahl treffen.
F: Aber ‚noch einmal wählen’ ist keine einmalige Entscheidung wie in dem religiösen Sinne von ‚Errettet werden’. Es ist vielmehr ein andauernder Entwicklungsprozess.
KW: Richtig. Wenn man einmal anders gewählt hat, wird man dahinter eine weitere Entscheidung vorfinden, die getroffen werden muss, dahinter wieder eine andere Ebene usw. Es ist ein Prozess des Aufhebens der Welt, die wir fehlerschaffen haben. Das Ego erfand Zeit und Raum, um Abstand herzustellen zwischen der Ursache der Welt – sprich, unserer Entscheidung, daran zu glauben – und ihren Wirkungen auf uns, so dass wir das Leid der Welt erleben, ohne zu erkennen, dass wir die alleinige Ursache davon sind.
F: Wie denken Sie über einige Leute, die offensichtlich die Botschaft des Kurses aufweichen oder leichter machen?
KW: Ich denke, wenn man anfängt, einige der schwierigen Sachen herauszunehmen, hält es auf, Ein Kurs in Wundern zu sein. Es gibt eine Zeile im Textbuch, wo Jesus sagt:„Dieser Kurs wird ganz oder gar nicht geglaubt“ (T-22.II.7:4). Mit anderen Worten, das Denksystem von EKIW ist ein vollkommen integriertes Ganzes, und wenn man einen Teil davon herausnimmt, fällt das Ganze auseinander. Man braucht den Kurs nicht aufzuweichen, bloß um den Leuten die Botschaft zu bringen, dass Gott sie liebt.
F: Der Kurs selbst scheint aber doch zu weit verbreiteten Interpretationen einzuladen, weil er eindeutig erklärt, dass jeder, der seine drei Teile beendet, ein ‚Lehrer Gottes’ geworden ist. Der Autor schenkt Kurs-Schülern vorbehaltlos sehr viel Vertrauen.
KW: Das Vertrauen besteht darin, dass die Botschaft nicht zerstört wird, egal, was geschieht. Ein großer Vorteil des Kurses ist, dass wir letztendlich wissen, was Jesus wirklich sagen will. Ganz am Anfang wurde uns gesagt, dass das Buch weder jemals verkürzt oder verdichtet werden darf noch die einzelnen Teile jemals getrennt vertrieben werden dürfen. Es ist immer die Ursprungsform zu erhalten.
Situationen der Krise
F: Ich begegnete dem Kurs inmitten einer ernsten gesundheitlichen Krise, als mein Ego schon ganz schön angeschlagen war, und ich glaube nicht, dass ich ihn mir sonst hätte verpflichtend vornehmen können. Kommen eigentlich viele Schüler in Krisensituationen zu Ihnen?
KW: Wir versuchen klarzustellen, dass wir nicht dazu da sind, irgendjemandes persönliche Probleme zu lösen. Was wir anbieten, ist eine Klarstellung von Kurs-Prinzipien, ein Verständnis, das ihrem Studium des Kurses helfen kann. Ihr eigenes Kurs-Studium mag ihre Krise lindern, aber wir können es nicht leisten.
F: Da ja der Kurs nicht als psychologische Selbsthilfe im üblichen Sinne gedacht ist, wie verändert er dann Menschen?
KW: Menschen, die den Kurs studieren, lernen letztendlich, dass sie Verantwortung für alles, was sie tun, übernehmen müssen; sie werden viel weniger anfällig dafür, ihren Egoismus und ihre Opferhaltung zu rationalisieren. Das bedeutet nicht, dass ihre Egos verschwinden, aber viele von ihnen beginnen zu verstehen, dass ihr Ego schuld ist an ihren Problemen. Sie finden Hoffnung in der Erkenntnis, dass sie nicht die Welt oder andere Leute ändern müssen, um Frieden zu finden. Im Kurs haben sie ein Werkzeug, Frieden zu finden, auch wenn es eine Weile dauert.
„Indem man sich mehr mit Jesus verbindet
und weniger mit dem Ego,
wird man automatisch lernen, das zu tun,
was liebevoll und hilfreich ist.“
F: Einige Leute könnten die Idee totaler Verantwortlichkeit erdrückend finden, was lässt sie doch weitermachen? Was ist das genau, was sich daran gut anfühlt?
KW: Was sich gut anfühlt, ist ein Gefühl von Hoffnung, die der Kurs anbietet – nicht naive Hoffnung, dass Gott oder der Heilige Geist herabsteigen wird und einem die Probleme wegnimmt, sondern wirkliche Hoffnung, dass in einem die Möglichkeit angelegt ist, glücklich zu sein. Selbst wenn man sich nicht voll dafür entschieden hat, versteht man, dass man letztendlich seinen Geist ändern kann, indem man Jesus um Hilfe bittet.
Häufige Fehlanwendungen
F: Was sind Ihres Erachtens nach die häufigsten falschen Anwendungen des Kurses?
KW: Der Kurs ist sicherlich dazu bestimmt, in der Welt gelebt zu werden, aber ich glaube, die Menschen machen den Fehler, dass sie ihn zu wörtlich auf die Belange der Welt anzuwenden versuchen. Der Kurs ist grundsätzlich ein Geistestraining. Jemand fragte mich kürzlich, welche Art von Moralsystem der Kurs vorschlägt, und ich sagte ihm einfach dies: indem du lernst, dich mehr mit Jesus zu verbinden und weniger mit dem Ego, wirst du automatisch lernen, das zu tun, was liebevoll und hilfreich ist für deine Beziehungen, deinen Job usw. – welche Formen auch immer dein Leben derzeit annimmt.
In diesem Sinne will der Kurs in jedem Aspekt des Lebens angewandt werden, aber er sollte nicht so gelesen werden, dass er etwa irgendwelche besonderen sozialen Programme oder eine politische Grundhaltung vertritt. Da er sagt, dass da buchstäblich keine Welt ist, nur ein Traum davon, ist es dem Kurs nicht daran gelegen, dass man den Traum zu verbessern versucht. Er möchte einzig den Geist des Träumers verändern. Wenn das vollbracht ist, wird sich der Traum automatisch auf die eine oder andere Weise wandeln. Aber es ist der Geist des Träumers, der im Fokus des Kurses steht.
Ein häufiger Fehler von Kurs-Schülern ist, dass sie versuchen, Gott in die Welt hineinzuziehen, was der Kurs so ausdrückt: „die Wahrheit der Illusion zu überbringen“(T-18.III.1:1), während die Zielsetzung das genaue Gegenteil sein sollte: unsere Illusionen der Wahrheit zu übergeben.
F: Der Kurs ist von einigen als Absage an soziale Verantwortlichkeit interpretiert worden. James Hillman bezichtigte ihn sogar, er biete einer versteckten rechtsstehenden Agenda Unterschlupf. Andererseits verhehlt Marianne Williamson, eine sehr namhafte Kurs-Verfechterin, nicht ihre liberale politische Einstellung. Wie antworten Sie auf diese stark unterschiedlichen Interpretationen?
KW: Jesus ist weder links noch rechts, und es wäre ein Fehler, irgendeine politische Philosophie aus den Kurs-Prinzipien abzuleiten. Der Kurs beschreibt sich selbst als „ein Kurs in Ursache, nicht in Wirkung“ (T-21.VII.7:8). Das bedeutet, dies ist ein Kurs, wie man seinen Geist ändert – was die Ursache von allem ist – und nicht sein Verhalten, was die Wirkung ist. Die unmissverständliche Botschaft des Kurses ist, den Heiligen Geist als Lehrer zu wählen, und nicht das Ego.
F: Sie und Gloria haben beide manchen politischen Aktivismus in Ihrer Biographie hinter sich. Sind Sie durch den Kurs jetzt weniger an politischen Streitfragen beteiligt oder anders?
KW: In den Sechzigern nahm ich an Bürgerrechtsmärschen in Mississippi teil, die von Dr. Martin Luther King angeführt wurden. Ich war betroffen, dort genau so viel Hass unter den Marschierern zu finden wie unter den Weißen, die uns aufhalten wollten. Wir waren uns einfach sicher, dass wir die Guten waren. Ich denke, es ist möglich, ein Aktivist zu sein ohne die Denkweise von Opposition. Eine von Kings Botschaften an die Schwarzen in Mississippi war: „Sie können euch nicht das Rückgrat brechen, wenn es nicht schon gebeugt ist.“ Er wollte, dass sie anderen Geistes über sich selbst werden. Das Herzstück dieser Botschaft ist dasselbe wie das des Kurses.
F: Was ist der Kern Ihrer Botschaft und die Absicht des Kurses?
KW: Es ist ein geistiger Weg für einzelne Personen. Probleme entstehen, wenn Menschen versuchen, daraus mehr zu machen und etwas damit zu machen, anstatt ihn so zu benutzen, dass er ihnen hilft, ihr eigenes Leben voll zu leben. Es ist ein Weg, den Menschen zu helfen, in Berührung mit ihrer eigenen inneren Stimme zu kommen und ihr zu folgen, um so gütig, liebevoll und vergebend zu werden wie sie nur können. Wenn die Menschen das machen würden, würde die Welt ein ganz anderer Ort sein und der Kurs hätte seinen Zweck erfüllt.
F: Bei neuen Schülern ist vielleicht die schwierigste Frage, die der Kurs aufwirft: „Woran kann ich erkennen, wann ich die Stimme des Heiligen Geistes höre, im Gegensatz zur Stimme meines eigenen Egos?“
KW: Der Kurs bietet einige Unterscheidungshilfen an – eine davon, dass man, wenn man der Führung des Heiligen Geistes folgt, „gänzlich ohne Angst“ ist (T-16.IV.11:9). Aber eigentlich ist die Frage falsch gestellt. Der Fokus sollte nicht darauf liegen, wie man herausfinden kann, welche Stimme man hört, sondern auf dem Wegräumen der Hindernisse gegen die Stimme des Heiligen Geistes – nämlich Schuld und die Neigung des Egos zur Besonderheit. Je mehr man diese störenden Einflüsse beseitigt, umso mehr wird man die wahre Stimme des Heiligen Geistes hören. Die Frage nach ‚Who’s who?’ wird sich dann gar nicht mehr stellen.
Berichtigung Unseres Fehlers
F: Was ist die Aufgabe des Heiligen Geistes?
KW: Er ist einfach zur Berichtigung unseres Fehlers da. Und der Fehler hat nichts mit Verhalten zu tun. Benutze jene liebende Gegenwart in deinem Geist, um auf deine Entscheidungen für das Ego zu schauen, und schau, wo diese Entscheidungen dich selbst treffen. Mein Problem hat nichts mit dir zu tun; ich habe die falsche Wahl getroffen. Es gibt nur eine besondere Beziehung und das ist die mit dem Ego; es gibt nur eine heilige Beziehung, und das ist die mit Jesus oder dem Heiligen Geist. Wenn diese Beziehung einmal geheilt ist, werden alle anderen Beziehungen heilig.
Mit den Augen des Heiligen Geistes zu schauen, bedeutet auch, unmittelbar der Schuld gegenüberzutreten, die unser Ego-Denksystem verleugnen möchte. Ich habe ein Wort für Schüler, die sich weigern, diese Schuld einzugestehen: ‚Glückspinsel’ (‚blissninny’, etwa: Glücklicher Einfaltspinsel).
„Es gibt nur eine besondere Beziehung –
mit dem Ego; es gibt nur eine
heilige Beziehung – mit dem Heiligen Geist.
Ein ‚Glückspinsel’ will nicht auf Schuld oder wie die Welt wirklich ist schauen. Er wird sagen: „Oh, der Kurs verändert mein Leben, er wird die Welt verändern“, ohne genau auf die Schuld zu schauen, die der Kurs aufheben will. Ein solcher ‚glücklicher Einfaltspinsel’ ist ohne ein wirkliches Verstehen oder Anerkennen des Egos im Hinblick darauf, wie hässlich es sein kann und wie wir davon angezogen werden. Wenn man nicht auf Schuld schaut, wird alles, was man mit diesem Kurs macht, von dieser Entscheidung geleitet, und man wird das, was der Kurs sagt, total missverstehen.
F: Obwohl der Kurs nicht beansprucht, anderen Wegen überlegen zu sein, beansprucht er, als eine Art ‚spiritueller Beschleuniger’ zu funktionieren. Es gibt kryptische Anmerkungen, dass Kurs-Schüler „Tausende von Jahren“ einsparen werden (T-1.II.6:7) und dass die Einhaltung seiner Methoden viel schneller wirken würde als lebenslange Meditation oder konventionelle religiöse Ansätze im ‚Kampf gegen die Sünde’.
KW: Als ein Beleg für eine solche Beschleunigung könnte gelten, dass, wie manche Menschen berichten, ihre Lage sich deutlich schneller verschlimmerte. Entweder begegnen Menschen dem Kurs während einer Krise oder sie geraten in eine Krise, bald nachdem sie damit angefangen haben. Der Kurs beschleunigt den Prozess, an die Wurzel des Problems zu gelangen: die Entscheidung des Geistes, von Gott getrennt zu sein. Das ist das grundlegende Problem von Menschsein. Der Kurs fokussiert uns so unmittelbar auf das Problem, dass wir keine Zeit für Meditation, Rituale oder andere religiöse Disziplinen aufwenden brauchen. Selbst wenn der Prozess noch viele Jahre dauert, eilt man innerhalb eines größeren Plans der Dinge voran, weil man zur Wurzel des wirklichen Problems gelangt.
F: Warum feiert das Ego in Kurs-Kreisen Ihrer Meinung nach so oft fröhliche Urständ?
(Anm.d.Ü.: oder ‚feiert fröhliche Auferstehung‘. orig. ‚rears its ugly head‘, also wörtlich etwa: ‚zeigt seine hässliche Fratze‘).
KW: Die Menschen möchten nicht auf ihre eigene Schuld schauen; es ist leichter, sie nach außen zu projizieren. Das ist wie bei Kindern im Sandkasten. Das ist seit jeher so, seit 30 Jahren mit dem Kurs und seit 2000 Jahren mit dem Christentum, und das ist so im Judentum, im Islam und in jeder offiziellen Religion. Deshalb ist es viel besser, den Kurs nicht als Religion, Bewegung oder so ähnlich zu verstehen. Er ist einfach eine spirituelle Lehre, um deinen Geist zu heilen. Wenn Leute ihn in dieser Weise benutzen würden, würde es keine Gruppen geben, die andere Gruppen bekämpfen, und sofern man in einer Gruppe wäre, würde man sie nicht so wichtig nehmen, man würde einfach unter Menschen sein, die irgendwie miteinander zusammenhängen, wie in Familien oder unter Freunden. Das würde nicht mit solch einer Erwartungshaltung verbunden sein.
Wenn man erst einmal anfängt, etwas offiziell zu gestalten, gerät man an Kirchen, und wir wissen alle, was Kirchen tun. Spielt nicht im Sandkasten herum. Man muss das nicht angreifen oder beurteilen, aber man muss auch nicht darin spielen. Das ist die Antwort, denke ich.
Originaltitel: ’In Conversation with Kenneth Wapnick (Part I)’
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von „Miracle Network in the UK“, das Schüler des ACIM (deutsch: EKIW) seit 1994 unterstützt.
Entnommen aus ihrem Magazin Miracle Worker, Ausgabe 97, Nov/Dec 2010.
Siehe www.miracles.org.uk.
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