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Gefragt, ob ich „Spiritist“ sei, pflege ich meist mit „nein“ zu antworten.

Es erspart eine Menge Schererei. Fatales Herumwaten in einem Brei von Missverständnissen, wie er in solcher Zählebigkeit sich kaum je aus einer anderen Materie menschlichen Denkens zu entwickeln pflegt.

Dies schlichte, gesegnete „Nein“ enthebt mich seit Jahren der zwecklosen Mühsal, den Ultragläubigen wie den Ultraskeptischen (Frager gehören stets diesen Kategorien an) immer wieder auseinanderzusetzen, was ich und was ich nicht glaube, die Verbindung von sinnlichen mit übersinnlichen Domänen des Daseins betreffend.

Das Wort Spiritismus ist nämlich mit üblen Nebengeräuschen überladen. Vielen klingt es dabei ums Ohr wie Hysterie, Taschenspielertricks, Düpieren und Düpiertwerden. Auch fatale Bilder entstehen dem Habitué: brünstige Horden, von Séance zu Séance den „lieben Spirits“ nachlaufen – Erleuchtete mit assyrischen Knebelbärten – das halbvertierte Medium, affektiert und schlechtrassig, wenn älter, in schwarzen Schmelzperlen, wenn jünger, in weißem Nachthemd; „Goethe“ und „Napoleon“, deren Geister so wenig bei einer spiritistischen Séance je fehlen dürfen wie auf einer europäischen Speisekarte Sacher und Linzer Torte. Zerpatschtes Grünzeug: Materialisationsphänomene, vom Plafond niederrieselnd zur Unzeit – Astralflirts zwischen Damen entre deux âges und jenseitigen Verehrern… dieses ganze makabre Eroteln und noch manch anderes Unerfreuliches haftet modernem „Spiritismus“ an. Und doch liegt allem Schlamm und Gebrodel ein Ozean an Wahrheit zugrunde wie der irdische Ozean seinen Quallen und Tang aufwerfenden Brechern.

Triviales, Kindisches, Irrlichterndes in jenen Zwei-Dollar-Séancen zeigt nur, wie heikle Grenzphänomene verwildern können in den Händen Unmündiger. Denn die mit allen Kautelen raffiniertester Laboratoriumserfahrung systematisch durchgearbeiteten spiritistischen Versuche eines Lombroso, eines Zöllner, eines Crookes präsentieren sich schon ganz anders, wenn auch diese weltberühmten Naturforscher der – man möchte sagen, trotzköpfigen Besonderheit solcher Art Erscheinungen stets Rechnung getragen haben. Hämische Ablehnung durch dogmatische Ungläubige aus dem Grunde, weil ein Kontakt mit außerweltlichen Erscheinungen… dies zarte Sichhereinsenken fremdester Phänomene ins Grobphysikalische sich nach seinen eigenen Gesetzen vollziehen muss – sich nicht den willkürlichen, plumpen, verständnislosen Forderungen jedes beliebigen Outsiders unterwirft – solch unwissentschaftliches Gebaren haben wirkliche Gelehrte nie mitgemacht. Jedes physikalische, jedes chemische Experiment gelingt ja auch nur unter den ihm allein eigentümlichen Voraussetzungen, und unser unentwegter Skeptiker müsste dann logischerweise auch das Photographieren leugnen. Er für seine Person sehe jedenfalls das Zustandekommen eines Bildes nie, kaprizierte er sich darauf, die Platte dürfe etwa nur bei „vollem Licht“ entwickelt werden, jenes berühmte „volle Licht“, das er so obstinat auch während der Materialisationsphänomene fordert. Dem Kronprinzen Rudolf von Österreich, als er während einer Séance durch vorzeitiges Dazwischenfahren… durch Störungen aller Art die Phänomene verhindert und das Medium Slade „entlarvt“ hatte, erwiderte auf seine Frage ein gleichfalls anwesender Mathematiker von Weltruf: „Kaiserliche Hoheit, dies ist wie bei Kristallen: In dunklen Räumen, nach Monaten der Vorbereitung, innerhalb ganz bestimmter Temperaturgrenzen und von keinem Schritt erschüttert, da vermag sich aus der satten Lösung vielleicht der Kristall zu bilden… wenn man aber mit einem Knüppel in der Lösung herumrührt…“ er vollendete zwar nicht, erhielt aber auch so keinesfalls den Franz-Josef-Orden.

Was „Temperatur“ für die Kristallbildung, ist „Stimmung“ für das Gelingen der Séance. Sinkt durch Skepsis, Hohn und Misswollen die geistige „Temperatur“ unter Null, bleiben die Phänomene aus – sollte aber die richtige Brutwärme voll zitternder Wundergier, wie sie in jenen Zwei-Dollar-Séancen vorherrscht, nicht wiederum zur „kritischen Temperatur“ für den Verstand werden, in der feste Urteilskraft sich zu verflüchtigen droht?

Wie zog sich nun Sir William Crookes, einer der größten Physiker Englands in neuer Zeit – Entdecker der strahlenden Materie, aus dieser schier unlöslichen Doppelschlinge? – Bei seinen spiritistischen Versuchen mit dem Medium Katie King – sie erstreckten sich über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren, fanden in seinem chemischen Laboratorium, und zwar nur im Beisein weniger erlesener Freunde statt – ließ er die Stimmung als Erzeugende ruhig bestehen, das Urteil über die tatsächlichen Vorgänge aber sprachen – Maschinen. Völlig parteilose Mechanik, versiegelte Platten, Registrierapparate, automatische Waagen walteten sine ira et studio ihres Amtes. Von dem hier aufgewendeten Scharfsinn, von den sinnreichen Vorrichtungen, alle Fehlerquellen auszuschalten, dem „skeptischen Laien“ auch nur eine Vorstellung zu geben, reichen hier weder Zeit noch Raum – setzen auch eine über die allgemeine Bildung weit hinausgehende chemische und physikalische Laboratoriumspraxis voraus. Wer sich dafür interessiert, sei an das „Journal of psychical research“ gewiesen, das die über viele Jahre sich erstreckenden Sitzungsprotokolle der Crookeschen Experimente enthält. Automatische Waagen registrierten stets selbsttätig das Gewicht des Mediums vor, während und nach dem Trancezustand. Es zeigte sich, dass sein Körpergewicht fast regelmäßig um die Hälfte abnahm, während jene nebelartigen Gebilde – Köpfe oder ganze Gestalten – sich aus seinem Leib, meist aus der Gegend des Sonnengeflechtes, bildeten und loslösten, somit aus der Materie des Mediums selbst hervorgehen mussten. Diese leuchtenden Nebelgeschöpfe wieder wurden mit Platten, man hatte sie versiegelt aus verschiedensten Fabriken bezogen, photographiert, später mussten diese Platten wieder aus dem versiegelten Apparat von dritten Personen… und in Gegenwart von Zeugen herausgenommen und entwickelt werden. Auf Verlangen entstanden während dieser Materialisationsphänomene auf der Innenseite zweier hermetisch geschlossener Tontafeln Hand- oder (nach Wunsch) Fußabdrücke. Von den Teilnehmern der Séance wurden den Geistern immer nur Aufgaben gestellt… die Ausführung aber registrierten automatische Apparate. Das Resultat wurde erst nach Aufhebung der Sitzung abgelesen Und doch!

Was blieb schließlich von dem Geisterhaften in diesen seinen materiellen Restbeständen – in all den kunstvollen Apparaten übrig? Notgedrungen wieder nur ein Materielles. Zahlen – Maße – Gewichte… auf den Photographien verschieden belichtete Kontur, die ebensogut aus dichten Normalkörpern durch Retouche hätte gewonnen sein können. Die Beweiskraft lag immer wieder nur in der Überzeugung der Teilnehmer selbst. Die Vorgänge, deren Resultat dann jene Zahlen, Maße, Bilder darstellten, hingen in letzter Linie doch von einem menschlichen Auge ab… von einem vielleicht durch Hypnose verwirrten… oder irrenden oder schwärmenden Auge. In ihm allein lag die Bürgschaft, es sei wirklich das Medium gewesen, das eben in jenem Moment auf der Waage saß, als diese nur das halbe Normalgewicht anzeigte, und nicht ein Stuhl oder ein Stück Holz! Und was das Kameraauge sah: Es zeigt, was man von seiner Natur verlangen kann, nicht mehr, d. h. die scharfkonturierte Gestalt des Mediums auf der Waage mit unscharfen, d. h. chemisch nicht ganz wirksam gewordenen Teilen der Platte, die man in diesem Fall „Geister“ nennt. Oder vielleicht sind es zwei Aufnahmen auf ein und derselben Platte, von denen die eine unterexponiert war. Und hätte es zur Zeit der Crookesschen Experimente schon das Grammophon gegeben! Was hülfe das? Es würde Stimmen… es würde Antworten registrieren… was irdisch registrierbar, kann aber ebensogut wieder auch irdischen Ursprungs sein. Was all diese Phänomene wie: verschiedene Gewichtsregistrierung, ausblühende, sprechende und sich bewegende Nebelgestalten aus dem Leib des Mediums, Fernwirkungen durch Abdrücke unsichtbarer Gliedmaßen auf verschlossene Tontafeln, Knoten in geschlossenen Schnüren – was all das verbindet – ihm Beweiskraft leiht, ist doch nur die Überzeugung des Zuschauers, alle diese Vorgänge, raumzeitlich verknüpft, in eben diesem Zusammenhang erlebt zu haben. Mit all seinen ingeniösen, materiellen Beweisscherben in Händen steht er wie am Anfang vor der Alternative: an „Geister“ zu glauben oder an eine raffinierte Täuschung durch Autosuggestion während der Séance.

Und erst die „anderen“, die nicht dabei waren… nur das Protokoll lesen! Schon Lincoln rät: Nie etwas glauben, was ein anderer gesehen hat, und nur die Hälfte von dem, was man selber gesehen hat.

Also könnte denn das Wunder nichts beweisen, weil das, was an ihm dem Beweise unterwerfbar wäre, eben damit schon aufgehört hätte, „Wunder“ zu sein? – Wir wollen noch warten – Crookes, der berühmte exakte Naturforscher… also Frager… Misstrauer von Beruf, hat sein mächtiges Ja dem Spiritismus gegenüber nie revoziert. Noch vor wenigen Jahren hat er öffentlich gegenteilige Gerüchte dementiert und für die im „Journal of psychical research“ niedergelegten Experimente gleiche Beweiskraft beansprucht wie für seine Arbeiten auf physikalischem Gebiet, speziell dem der Strahlenforschung, auf dem er anerkannt der Größten einer war.

Es gibt Gruppen, die, wie bei allem, so auch bei der Beurteilung des Spiritismus für den berühmten „goldenen Mittelweg“ sind -(meiner bescheidenen Meinung nach verläuft er mit Vorliebe im Sand). Diese Gemäßigten wollen Phänomenen, weil sie ernste, ja nüchterne Menschen gleich Lombroso oder Crookes beobachtet haben, zwar Glaubwürdigkeit und Realität zuerkennen, weigern sich aber, spiritistische Folgerungen daraus zu ziehen: die Existenz von Geistern, anders verkörperter – oder nach anderen Gesetzen verkörperter Intelligenzen. Zwingend widerlegen lässt sich diese Ansicht natürlich nicht, da sie schließlich auf nichts anderes als den alten Solipsismus hinausläuft – denn nur von mir selber kann ich Bewusstsein behaupten, von allen übrigen Mitgeschöpfen – ob Mitmensch, ob Mittier – nehme ich es nur mit Hilfe eines dürftigen Analogieschlusses an… sie könnten um mich herum ebensogut abschnurren wie Automaten… alle ihre Reaktionen könnten empfindungs- und bewusstlos statthaben.

Hätte von dieser unangreifbaren Position aus der brave Eckermann sich etwa beifallen lassen, zu behaupten, Goethe sei keine „bewusste Intelligenz“ gewesen, sondern eine Puppe, die täglich zwischen 2 und 4 nachmittags vor ihm abzuschnurren pflegte… kein Mensch, d. h. keine andere „Puppe“, die ja wieder nur von sich selber weiß, dass sie keine ist – hätte es ihm zwingend widerlegen können.

Da wir aber aus einem uns ähnlichen Gebaren… aus ähnlichen Lebensäußerungen, Aktionen und Reaktionen nun einmal auf Bewusstsein zu schließen pflegen, so ist nicht einzusehen, warum Wesen, wenn auch nur scheinbar feinerer Struktur, da sie wie Lebendiges sich bewegen, benehmen, auf Fragen antworten, Aufträge ausführen… kurz, alle Merkmale des Bewusstseins tragen, gerade keines haben sollten – dass menschliche Fuß- und Handabdrücke in Ton… dass sich bewegende Gestalten, der Sprache und Schrift fähige Gebilde… durch „Interferenz“ oder andere Eigenschaften unbekannter „Strahlen“ oder „Wellen“ automatisch entstehen sollten. Aber dem Dogmatiker des Materialismus dünkt selbst der haarsträubendste Umweg Erlösung, rettet er ihn nur vor der Pein, von dem heiligen, gequollenen Aggregatzustand im Protoplasma als alleinigem Träger möglichen Bewusstseins abgehen zu müssen; uneingedenk des großen Psychophysikers Fechner und seines hübschen Gleichnisses von Lampe und Kerze, die sich darin einig wussten, Gas könne nie eine Beleuchtungsart abgeben, da es doch keinen Docht habe! Folgerung: Sollte Geist nur durch Nervendochte brennen dürfen?

Der Ultraskeptiker dürfte aus allem früher Gesagten sich wohl nur als Resultat herausgenommen haben: auch automatisch registrierte Phänomene bei spiritistischen Versuchen beweisen nichts, man ist doch wieder nur auf die Aussagen der paar Eingeweihten angewiesen, selbst hat man kaum Gelegenheit, dergleichen zu sehen, die Bedingungen des Zustandekommens sind überdies recht selten, langwierig und unsicher… kurz, es wird doch alles Humbug sein.

Warum aber wendet der Ultraskeptiker – er entstammt meist den breiten Schichten mit „Durchschnittsbildung“ – diese seine Schlussfolgerungen nicht auch auf die Gebiete der theoretischen Physik, Chemie, Biologie an?

Ihm werden doch auch von dort her nur als Gnadenbrocken ab und zu einzelne Resultate von Beobachtungen zugänglich, und auch von ihnen nur solche Teile, die ihn erfahren zu lassen, man für gut hält. Stimmt es wo aber schon gar nicht – er wird es nie wissen und im seligen Kinderglauben dahinwandeln meinen, einbetoniert in ewige Gesetze griffen die Fächer aller Naturwissenschaften wie Zahnräder klaglos ineinander und neue Resultate würden stets in geradliniger Verlängerung über Letztgefundenes hinaus erreicht. Das aber spielt sich alles in einer ihm fernen Welt ab, die für ihn versiegelt ist… nicht mit einer… nein, mit sechserlei Geheimsprachen, weit unzugänglicher, als dem Menschen im Mittelalter etwa die Quellen, aus denen sich das Dogma der Dreieinigkeit ableiten lässt. Da genügte es schließlich, Latein zu lernen, um sich selbst ein Urteil zu bilden… hier in diesen Fachsprachen ist schon jedes Zeichen ein ihm fremdes Gedankensymbol. Gewiss, er hat im Gymnasium gelernt, die Formel der lebendigen Kraft z. B. laute m · v2/2. Vielleicht hat er sogar den Beweis dafür auswendig gelernt, aber hat er ihn je begriffen? … Und warum in der berühmten Kontroverse Descartes-Leibnitz der eine zu der Formel m · v2, der andere zu m · v2/2 gelangte? Will er ehrlich sein… für ihn, den Durchschnittsgebildeten, könnte sie ebensogut „abrakadabra“ lauten. Und doch glaubt der „Ultraskeptiker“ in spirituellen Dingen mit blinder Hingabe nicht nur an diese Formel, die er nicht versteht, sondern auch an jedes Wort – an jeden Laut, wenn er nur aus dieser, mit sieben Siegeln verschlossenen Welt zu ihm dringt… ja eigentlich bekommt er immer erst das zu glauben, was die Fachleute selbst schon längst überwunden haben. Baut etwa ganze Monistenbibeln und Welträtsellösungen auf die Existenz des „Bathybius“ auf, einer angeblich kernlosen Vorstufe der Zelle, wenn dieser sich schon längst als Zersetzungsprodukt und nicht als Urbaustein alles Lebendigen erwiesen hat. Aber davon erfährt er ja nie etwas. Sogar in unserem alten, zahmen Planetensystem – dieser Kinderstube abgedroschenster astronomischer Gemeinplätze, mit dessen Einrichtungen seit Kepler jeder Hosenmatz sich schon familiär dünkt – steht es gar nicht gut. Da gehen unheimliche Bewegungen im Perihel der Merkurbahn vor sich, die zu ergründen es des Umsturzes der gesamten mathematisch-physikalischen Anschauungen bedurfte. Aber auch davon erfährt unser „Skeptiker“ ja nichts. Gut, wird er erwidern, dann ist es aber doch eben nur meine persönliche Unbildung, die mich hindert, alle Experimente selbst zu wiederholen und mir Gewissheit zu verschaffen… denn sie stehen jedem offen. Nun, abgesehen davon, dass chemische, physikalische, biologische Versuche heute so kompliziert geworden sind, dass sie sich – und zwar jeder einzelne über Jahre, oft Jahrzehnte erstrecken, wie Messungen an Ätherschwingungen, sie erfordern auch noch so zeitraubende und schwierig herzustellende Hilfsapparate, dass nur die ganz Wenigen in besonders eingerichteten Instituten auch nur daran denken können, solche Versuche zu unternehmen. Die Fehlerquellen sind dabei so schwer auszuschalten, dass es z. B. auch einem Ramsey durch Jahre nicht möglich war festzustellen, ob ihm wirklich die Transmutation der Metalle gelungen oder ob der Kupferniederschlag – es handelt sich da um fast unvorstellbar geringe Quanten – einer „Verunreinigung“ des Versuchsstoffes zuzuschreiben war. Noch heute scheint die Frage unentschieden.

Oder die modernsten biologischen Versuche Woodruffs: viertausend Generationen einzellige Lebewesen, in diesem Fall – Pantoffeltierchen, müssen erst einmal rein gezüchtet werden, damit man beurteilen könne, ob die Fähigkeit, durch Teilung allein sich fortzupflanzen, einmal erlischt… eine Frage, die nichts Geringeres bedeutet als die Entscheidung, ob die Einzelligen unsterblich sind, wie die Haeckelianer behauptet hatten, natürlich ohne Beweis. Nach diesem amerikanischen Versuch – er dauerte sechs bis sieben Jahre – scheint es nicht der Fall. Nun wird man wieder sieben Jahre auf den Kontrollversuch warten müssen, und auch bei diesem können sich Beobachtungsirrtümer einschleichen.

Mag dem so sein, meint der unentwegt Gläubige, hier wird mir doch wenigstens nie etwas Absurdes zu glauben zugemutet oder etwas, wogegen sich meine sinnliche Anschauung oder mein „gesunder Menschenverstand“ sträubt, wie etwa bei der Annahme von „Geistern“ oder der mystischen Dreieinigkeit. Wirklich? Ist etwa der Weltäther so anschaulich, der – um die Bedingungen zu erfüllen, um deretwillen seine Existenz angenommen wird, eine ideale Flüssigkeit sein müsste von der Zähigkeit des Stahles, röhrenförmig und zugleich in seinen kleinsten Teilen unendlich verschiebbar… auch dies nur eine kleine Blütenlese seiner als zugleich bestehend gedachten Eigenschaften. Ist das alles etwa anschaulicher als ein Glaubenssymbol? – Oder gar die Denkunmöglichkeiten, wie sie modernste mathematische Physik fordert, in der bei bestimmten Grenzgeschwindigkeiten die Körper… zu Schatten von unendlicher Schwere werden müssen. Wo werden in Spiritismus oder Wunderglauben irgendwelcher Art solche Forderungen an die Negierung aller Anschauung… aller Erfahrung gestellt? Wo käme man da mit der Philisterphrase vom „gesunden Menschenverstand“ hin? Aber davon erfährt ja der „Skeptiker“ nie etwas.

Ja, was erfährt er denn nun eigentlich, was ihn veranlassen oder berechtigen würde, kritiklos die Äußerung auch des kleinsten Privatdozenten mit einer Inbrunst und Glaubensstärke aufzunehmen, die jeden Papst hätte vor Neid erblassen lassen?

„Dampfmaschine“ wird er antworten… oder „Telefon“ oder „Dynamo“. „Vermag ich auch nicht die Richtigkeit der Formel für die lebendige Kraft zu kontrollieren… die Maschinen, deren Konstruktion auf ihr sich aufbaut, die seh‘ ich… Ich weiß nicht, wie man die Hertzschen Wellen berechnet… ihre theoretische Annahme aber hat zu etwas geführt, das durch mein ganzes Leben hindurchvibriert, weil schon ein bloßes Abspaltungsprodukt der Naturwissenschaft: die Technik imstande war, das ganze Dasein auch für den letzten von uns, auch für den dumpfesten von uns von Grund aus umzugestalten… darum glaube ich an sie, auch wo sie mir dunkel und unverständlich scheint.“

Und jetzt hat er recht. Welche Lehre lässt sich daraus für den Spiritismus ziehen?

Auch erst, wenn seine Resultate in so mächtigen Erleuchtungen und Erschütterungen innerlich durch die Menschen hindurchvibrieren, wie es die Naturwissenschaft im Äußeren an Leib und Leben jedes Menschen vollbracht, selbst an jenem, der von ihr selbst nichts wusste, dann wird er Wert und Gültigkeit haben. Das Hereinragen einer Geisterwelt muss aber – wenn sie Bedeutung haben soll – sich eben am Geiste und von innen heraus beweisen.

Der materielle Verstand verlangt Beweise für die Existenz von Geistern durch materielle Auswirkungen. Doch was immer er in dieser „Linie“ bekommen kann, wird und muss ihn stets unbefriedigt lassen. Er geht aus einer Séance mit Staunen geschlagen… um dann zu zweifeln. Es liegt im Wesen des materiellen Verstandes, alles zu leugnen, was nicht von der Materie ist – es ist für ihn einfach unmöglich, irgendein Phänomen anders zu erfassen als auf dieser Basis. Es leben heute Menschen, die seit dreißig und vierzig Jahren alle Arten spiritistischer und mediumistischer Erscheinungen gesehen haben, ohne der Überzeugung von Geistwesen um einen Schritt nähergekommen zu sein als am Anfang.

Denn wir haben ja schon anlässlich der Crookesschen Experimente gesehen, dass auch die reinsten, die von Fehlerquellen relativ freiesten vertan sind, weil, was an ihn en dem äußeren Beweis unterwerfbar war, damit eben schon aufgehört hätte, „Geist“ zu sein.

Aus einem Verkehr mit „Geistern“ darf ich eben nicht äußere „Wunder“ in der Körperwelt zu ziehen verlangen… das ist „Niggermystik“, sondern ihre Wirkungswelt muss in mir sein! Erleuchteter, verklärter, vertiefter muss ich aus dem Kontakt mit ihnen hervorgehen – als ein geistig Wiedergeborener. Wer in eine Trance – in einen mystischen Zustand verfällt, hat nur ein Kriterium für dessen Echtheit, dass er, aus ihm auftauchend, eine neue Innenwelt sich mitbringt, eine so geweitete, so überraschende, dass alles früher bewusste wie eine arme Schale unter ihm liegt. Ein solcher wird sich aber dann so wenig darum kümmern, ob die äußere Welt des materiellen Verstandes ihm glaubt und weiß, was er besitzt, als es einem mächtigen Gelehrten oder Künstler oder Staatsmann daran gelegen sein könnte, seine Leistungen vor fünf und sechsjährigen Kindern zu erläutern.

Die Naturwissenschaft als Lehre von der Körperwelt muss ihren firnen Verstandesbau immer wieder an der Körperwelt prüfen… ja sie darf kein anderes Kriterium kennen. Seelisches aber kann nur an Seelischem wieder geprüft werden. Wenn einer ungewöhnliche Erscheinungen hervorzurufen vermöchte, etwa frei in der Luft zu schweben oder derartiges, so würde ich ihm sagen: „Ganz schön, lieber Herr, aber was beweist das? Sie sind vielleicht doch nur ein gewöhnlicher Kommis, der eben jetzt schwebt… das kann ja der Magnet zwischen den Kupferspulen auch. Gut, wir kennen ja genug der Schwerkraft entgegenwirkende Kräfte, vielleicht benützen Sie eine von diesen so verständnislos wie ein Affe das Telefon. Aber was beweist das für die Mystik oder für Ihre unsterbliche Seele? Und wenn Sie mir einen vom Tod erwecken, so war er eben nur scheintot, und wenn sich ein verwestes Skelett unter Ihren Händen mit blühendem Fleisch bedeckt, so war das ganze nur Hypnose.“

Wenn einen Menschen von der mystischen Welt nur zu wissen verlangt, was durch Klopflaute, Tischrücken oder Phantome kommt oder was ihm von Zeit zu Zeit durch Medien oder Hellsichtige vermittelt wird – wenn ihn das Fieber nach dem „Wunder“ treibt statt Sehnsucht nach Wahrheit, die doch nur von innen kommen kann, so sind die Chancen äußerst gering, dass Wertvolles für ihn dabei herausschauen dürfte. Doch will ich nicht behaupten, dass dem Spiritismus keinerlei Stellung in der Entwicklung der Menschheit zufalle. Er hat Tausende zu selbständigen Schritten in geistige Pfade hinein angeregt. Er ist nur in seiner gegenwärtigen Form eine abnormale und ungesunde Entwicklung. Er stammt aus dem verfrühten Ausbrechen bestimmter Fähigkeiten an einzelnen Individuen, deren übriges seelisches Niveau noch nicht dieser einen Gabe entspricht. Da die Menschen spirituell noch unreif sind, so sind auch die spirituellen Kräfte unharmonisch, ziellos und schlecht beherrscht. Die Hypertrophie eines Sinnes, einer Gabe, der kein ausgewichteter Geist entgegensteht, muss auch verzerrte Resultate geben und schwere Schädigungen dem Ausübenden bringen. Besonders Medien sind solchen ausgesetzt, da sie in völlig passivem Zustand alle geistigen Zustände um sie her bei den Séancen aufsaugen müssen. Sie werden überlaufen von gramverwirrten Menschen, die Verbindungen mit teuren Toten suchen; sie sind wie Filter, durch die ewig ein dunkler, trüber Strom gepresst wird, denn frohe Menschen, glückliche Menschen kommen fast nie in Séancen. Es sind immer irgendwie „Besessene“. Menschen, die zu früh eine Schranke niedergerissen haben, die sie bisher gnädig vor infernalischen psychischen Einflüssen behütete. Denn was da auf sie hereinflutet, nach dem Gesetz der Korrespondenz, entspricht eben ihrem Gesamtniveau, dem Freizügigkeit im Spirituellen noch lange nicht zukam. Durch gewaltsame und künstliche Bedingungen einseitiger Clairvoyance sind sie Schädigungen ausgesetzt, die für sie völlig ungefährlich wären im richtigen Moment geistigen Durchbruchs. Wer wollte alle Formen, alle Grade von Einflüssen – von „Geistern“, wenn man will, abschätzen, gegen die wir durch den „Kerker“ unserer groben Sinne gnädig abgedichtet sind.

Doch wie das im Treibhaus Gezogene nur kurze Lebensdauer haben kann, entweder, sich selbst überlassen, zum ursprünglichen Typus zurückvariiert oder noch weiter verzüchtet, aus sich Vernichtungskeime gebiert, so ist eigentlich auch der Spiritismus schon wieder eingewelkt. Es wollen keine berühmten Medien mehr auftauchen, nicht weil die Welt geistig verarmt, sondern weil sie das allgemeine, endgültige Ringsumausblühen vorbereitet.

Je mehr wir auf natürliche Weise wegwachsen vom Rohen – Gedankenfehler ausscheiden, um so intensiver wird unser ganzes Sein mit höheren und lichteren Emanationen sich durch die trennenden Schranken hindurchmischen, an ihnen reifen und wachsen in einen Zustand hinein, der dauernden Halt im rein Spirituellen ohne Mediumismus gestattet. Es wird dann kein Hüben und Drüben mehr geben, sondern überall nur Heimat.

„Aber das ist ja doch Geisterglaube“, wird mancher sagen. Gewiss, aber nicht durch materielle Beweise. Das scheinbar Unmögliche kann nur von innen heraus möglich gemacht werden, und die Entwicklung mystischer Sinne ist eine Frage der Bereitschaft für sie. Kein Medium, keine „Spiritis“, keine Materialisationen können sie in uns hineinhämmern.

Nur an uns selbst… an ein Grenzenloses in uns müssen wir glauben lernen, denn wie es in dem Essay der „Unsterblichkeit im Fleische“ formuliert wurde: „Gläubigkeit ist die intuitive Kraft, eine Wahrheit zu empfinden, die unsere rein mentale Sphäre noch nicht erreicht hat.“

Anmerkung: Diese Ausführungen über Spiritismus sind mehr dem Geiste nach Prenrice Mulford – ihre wissenschaftliche Basis konnte, da neueren und neuesten Datums, ihm nicht bekannt sein.

Eine Methode, Mut zu züchten InhaltsverzeichnisDie Geburt der Gedanken

 

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