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Lange schon hatte ich den Plan gehegt, mir mit eigenen Händen ein Haus in den Wäldern zu bauen, Gärtner und König zugleich, und dort einsam zu leben.

Nicht dass ich zynisch oder mit der Welt zerfallen gewesen wäre.

Ich habe gar keine Ursache, mit der Welt zerfallen zu sein. Sie hat mir eine Menge Amüsement gegeben – hineingesandwiched zwischen Kopfweh, Reueanfällen und Erzeugung guter Vorsätze. Letztere konnte ich meistens deshalb nicht halten, weil sie mir so rasch unter den Händen verwesten.

Ich habe versucht, das Leben gut zu behandeln, und es hat mich belohnt. Denn das Leben erwidert unweigerlich Lächeln mit Lächeln, Tritt mit Tritt! Und ist mein Leser eine junge Frau, so wird sie ihre Schönheit viel länger wahren, wenn sie liebenswürdig ist um des Lebens und nicht um der Gesellschaft willen – nicht äußerlich einen Liebenswürdigkeitskrampf im Gesicht trägt, vielmehr innerlich in die Zukunft lächelt, dann lächelt die Zukunft auch ihr.

In New-Jersey fand ich endlich ein Stück Wald, einen Sumpf, einen Quell, ein Bächlein und eine noble breitästige Eiche. Unter dieser Eiche baute ich.

Das war vor fünf Jahren. Ich war damals neunundvierzig Jahre alt – und fühle mich jetzt nicht älter – sogar schon etwas jünger. Was andere über mein Alter fühlen mögen, ist eine davon verschiedene Frage. Kronzeuge aber bleibt wohl das eigene Bewusstsein.

Während eine Flasche Champagner in eines Menschen Organismus wirkt, was kümmert es ihn, wie andere über ihn oder sein Alter denken! – Solchen Zustand berauschter Unbekümmertheit sollte man stets aus dem Leben schlürfen können.

In diesen neunundvierzig Lebensjahren habe ich zwei indifferente als Matrose auf einem Handelsschiff und einem Walfischfänger verbracht.

Auf letzterem war ich Koch, zum Jammer aller an Bord, die in die Wirkungssphäre meiner kulinarischen Missetaten gerieten. Erst als wir auf hoher See waren, entdeckte man, dass ich von der edlen und so nützlichen Kunst des Kochens keine Ahnung hatte. Da war es aber schon zu spät.

Zwölf Jahre war ich in Kalifornien, wo ich etwas Gold und eine mächtige Menge Schmutz grub. Ich habe Schule gehalten, eine Bar und einen Kramladen geführt, ritt das Fleisch für die Grubenarbeiter am Tuolumne River unter dem Sattel mürbe, kandidierte als Abgeordneter, startete eine Schweineranch, die versagte, diente als Schutzmann, als Steuereinnehmer und Postbote, suchte in Nevada nach Silber und fand nichts als Schnee, Szenerie und Elend – fertigte Stadtpläne an, wirtschaftete blühende Farmen zu Wüste und Heideland, hielt Vorträge und schrieb für Zeitungen. Ich habe meine Konstitution und ihre Nebengesetze in reputierlicher und auch anderer Weise ausprobiert. Sie ist noch immer intakt, wiewohl ich so viele Krankheiten hätte haben können, als ich nur wollte – wäre es mir beigefallen, dafür zu zahlen und sie bei Spezialisten und Apothekern zu erstehen.

Ich habe Cap Horn, London, Paris, Wien – einen strandenden Walfisch und eine meuternde Mannschaft gesehen – auch eine Dame, die keinen neuen Hut brauchte – sie war tot.

Ich lebte zwei Jahre in England, hatte eine herrliche Zeit und sehr wenig Kapital, sah das Land von den Grenzen Schottlands bis nach Dover, verkehrte mit über dreißig Familien, hoch und niedrig, arm und reich, Patriziern und Plebejern.

Ehe ich auslief ins Leben, führte ich als vierzehnjähriger Knabe ein ländliches Hotel und brachte es in vier Jahren zum Verenden; aber die Knaben und Mädchen meiner jugendlichen Ära kostete das Reiten meiner Pferde nie einen Cent. Eine gute Zeit hatte ich als Direktor dieses Hotels, das mein Vater sterbend meiner Mutter vermachte. Sie war gezwungen, es zum größten Teil ihrem ältesten und einzigen Sohn zu überlassen. Ich war dieser Sohn. Meine Mutter – nüchtern veranlagt – hatte eine Abneigung gegen das Geschäft, und ich befreite sie bald davon, tat ihr damit einen Gefallen und hatte selber meine Freude daran. Wir hielten eine Bar, die von den Knaben meines Alters in hohem Maße patronisiert wurde, da ihre Erfrischungen sie dort wenig oder gar nichts kosteten – meistens gar nichts – ein Faktum, das zwar die allgemeine Fröhlichkeit erhöhte, aber nicht die Einnahmen.

Meine Heimatstadt war ein Ort, in dem der bloße Versuch eines Knaben, seiner Mutter zu erzählen, was er innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden gedacht, getan und erfahren, genug Gezänk, Entsetzen und Verachtung hervorgerufen hätte, um ihn für einen Monat aus aller Bravheit und Tugend hinauszuschrecken.

Wo die Knaben systematisch und gewissenhaft und reuelos ihre Väter anlogen, wie diese einst die „Großväter“ angelogen hatten. Wo die Hälfte der Stadt Abstinenzler waren, die alle Whiskytrinker mehr hassten als den Whisky und solchen, die anderer Ansicht waren als sie, harte Namen in maßlosen Mäßigkeitsvereinen gaben! Wo die Redner von Vorurteilen, Eifer und Bekehrungswut trunken wurden wie andere Trinker von Fusel.

Ich brachte unsere Bar zum Stillstand, indem ich es so einzurichten verstand, dass die Ausgaben die Einnahmen stets überschritten. Eine gute Folge war, dass die jungen Leute dann in einem anderen Lokal, wo sie dafür bezahlen mussten, ihre Stimulantien bezogen, und das ist immer ein starker Ansporn zur Mäßigkeit – wenn nicht zur Ethik im allgemeinen.

Als ich all das vollbracht hatte, und es ist nicht wenig für einen Siebzehnjährigen, ging ich in die Welt, mein Glück zu suchen- und suchte es noch mit Ergebnissen, die natürlich teils für, teils gegen mich sprechen.

Aber ich habe gute Zeiten gehabt und beabsichtige, noch viel bessere zu haben.

Der Unfug des Lebens - EinführungInhaltsverzeichnisGrundsteinlegung

 

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