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Auszug aus dem Buch „Das Geheimnis von Prana, Pranayama und Yoga-Asanas“ von Swami Narayanananda von 1976

Pranayama Swami Narayanananda

I. Pranayama als geistige und körperliche Übung

Wenn du Savasana (die Entspannungsübung) beendet hast, dann beginne mit folgenden Atemübungen:

I. Pranayama-Lektion Eins

Wähle einen sauberen Platz aus und bereite dir eine ordentliche Sitzgelegenheit. Breite eine Kusa-Grasmatte auf dem ebenen Boden eines Zimmers aus, oder auf einer kleinen hölzernen Plattform von etwa 20 – 40 cm Höhe und einem Quadratmeter Fläche. Breite über dieser Matte ein Asana (einen Wollteppich von 1 X 1 Meter) aus und bedecke das Asana mit einem sauberen weißen Baumwolltuch. Sitze aufrecht auf diesem Asana in Padmasana, wie es zuvor beschrieben wurde, das Gesicht nach Norden oder Osten gewandt.
Hast du deinen Sitz in dieser Weise eingenommen, dann sende gute Gedanken und Wünsche für das Wohlergehen aller Lebewesen aus. Sage in Gedanken: »Mögen alle Wesen für immer friedvoll und glücklich sein«. Sende diesen guten Gedanken nach Norden, Süden, Osten und Westen, nach oben und nach unten. Äußere danach dreimal »Om Shanti« und beginne mit Pranayama.

Verschließe die rechte Nasenöffnung fest mit dem Daumen der rechten Hand. Atme langsam ein, so langsam wie möglich, so dass durch das Atmen auch nicht das geringste Geräusch erzeugt wird. Fülle die Lunge so tief wie möglich mit Luft. Verschließe daraufhin mit Hilfe des Ringfingers und des kleinen Fingers die linke Nasenöffnung und atme sehr langsam und geräuschlos durch die rechte Nasenöffnung aus. Beachte, dass der Atem nicht angehalten werden soll. Die Einatmung durch die linke Nasenöffnung und die Ausatmung durch die rechte Nasenöffnung sollten einander unmittelbar folgen. Dieser Vorgang sollte so langsam und sanft erfolgen, dass selbst ein feiner Faden, der in die Nähe der Nasenöffnung gebracht wird, nicht erzittert oder erbebt. Atme, nachdem du durch die rechte Nasenöffnung ausgeatmet hast, langsam wie zuvor durch dieselbe Nasenöffnung (die rechte) ein und atme dann durch die linke Nasenöffnung aus, wobei die rechte verschlossen wird. Damit ist ein Durchgang beendet. Lasse sechs solcher Runden einander in einem Zug folgen, ohne eine Pause zwischen zwei aufeinanderfolgenden Runden einzulegen.

Richte deine Aufmerksamkeit bei der Ausübung dieses Pranayama besonders auf das Ein- und Ausatmen. Kon-zentriere dich beim Einatmen auf den einströmenden Atem und beim Ausatmen auf den ausströmenden Atem. Achte darauf, dass die eingeatmete Luft wieder vollständig von der Lunge abgeatmet wird, so dass von dieser Luft nichts mehr im Innern zurückbleibt, wenn du wieder mit der Einatmung beginnst. Dies ist von entscheidender Bedeutung.

2. Pranayama-Lektion Zwei

Sitze aufrecht wie zuvor in Padmasana. Schließe den Mund, atme rasch durch die Nase ein und atme dann, ohne den Atem anzuhalten, rasch aus. Lasse beim Ein-und Ausatmen ein zischendes Geräusch entstehen und lasse den Brustkorb sich wie einen Blasebalg ausdehnen und zusammenziehen. Führe dieses Pranayama zehn Mal durch, d. h., atme zehn Mal ein und aus. Beginne nun, ganz langsam einmal ein- und auszuatmen. Diese beiden Übungsteile machen zusammen eine Runde aus. Beginne mit zwei aufeinanderfolgenden Runden und steigere dann die Zahl langsam auf sechs Runden.

3. Pranayama-Lektion Drei

Sitze aufrecht in Padmasana und atme langsam durch beide Nasenöffnungen ein, um die Lunge mit Luft zu füllen. Ziehe die Kehle zusammen, indem du das Kinn nach hinten gegen den Hals presst. Dränge daraufhin die Luft nach oben, indem du den Magen und den Unterleib nach hinten gegen die Wirbelsäule und nach oben ziehst, und halte den Atem zwischen Herz und Kehle, solange du kannst. Verschließe nun die linke Nasenöffnung mit dem Ringfinger und dem kleinen Finger der rechten Hand und atme langsam durch die rechte Nasenöffnung aus. Führe diese ganze Übung fünf Mal durch. Atme sodann jedes Mal wie zuvor ein und atme Fünf Mal durch die linke Nasenöffnung aus, wobei die rechte Nasenöffnung mit dem Daumen verschlossen wird. Die Anzahl von Ausatmungsvorgängen dieser Art kann allmählich bis auf zehn durch jede Nasenöffnung gesteigert werden. Jene Menschen, die unter chronischen Krankheiten, wandernden Schmerzen usw. leiden, können diese wechselseitige, in sich geschlossene Übung bis auf eine halbe Stunde in einem Zug ausdehnen. Wenn dieses Pranayama regelmäßig zweimal am Tag geübt und mit einer wohlausgewogenen und geregelten Ernährung verbunden wird, kann damit jegliche Art von Krankheit von Grund auf ausgemerzt werden.

4. Pranayama- Lektion Vier

Sitze aufrecht in Padmasana. Verschließe die rechte Nasenöffnung mit dem Daumen der rechten Hand und fülle die Lunge mit Luft, indem du langsam, gleichmäßig und so langgezogen wie möglich einatmest. Verschließe beide Nasenöffnungen mit Hilfe des Daumens, und des Ringfingers und des kleinen Fingers deiner rechten Hand und halte den Atem an, solange du kannst. Atme sodann bei noch verschlossener linker Nasenöffnung durch die rechte Nasenöffnung aus, so langsam und gleichmäßig wie möglich (wie es in der ersten Pranayama-Lektion beschrieben wurde). Atme daraufhin wieder durch die rechte Nasenöffnung ein, so langsam, sanft und langgezogen wie möglich. Halte den Atem bis zur äußersten Schwelle an und atme dann durch die linke Nasenöffnung möglichst langsam und gleichmäßig aus, wobei die rechte Nasenöffnung mit dem Daumen verschlossen wird. Damit ist eine Runde oder ein Pranayama abgeschlossen. Führe vier solcher Pranayamas nacheinander durch, ohne irgendeine Unterbrechung, ganz gleich welcher Art, zwischen zwei aufeinanderfolgenden Runden eintreten zu lassen. Achte wie bei der ersten Lektion besonders auf das Ein- und Ausatmen. Konzentriere dich auf den einströmenden und auf den ausströmenden Atem und atme jedes Mal vollständig aus.

II. Pranayama zur Reinigung von Körper, Nadis und Geist

Führe die vier angegebenen Pranayamas sechs Monate lang fort, falls ihre Ausübung nur einmal am Morgen erfolgt. Wenn sie zweimal, d. h. morgens und abends, ausgeführt werden, so genügen drei Monate. Lerne während dieser Übungen in korrekter Weise zu atmen. Sei sehr sorgsam darauf bedacht, besonders langsam, gleichmäßig und zart ein- und auszuatmen. Wenn du dich an diese Art der langgezogenen, sanften, rhythmischen und regelmäßigen Atmung gewöhnt hast, dann fahre mit der Pranayama-Lektion Zwei fort wie zuvor, beachte jedoch bei den Pranayama-Lektionen Eins, Drei und Vier folgende Hinweise:

1. Stelle dir beim Einziehen des Atems mit fester Überzeugung und mit aller Gewissheit vor, dass du den Körper erfüllst mit Reinheit, Stärke, Kraft, guter Gesundheit, Vollkommenheit, Heiligkeit, Energie, gewaltiger Willenskraft, Keuschheit, Charakterstärke, Licht, reiner Liebe, Weisheit und allen guten und edlen Eigenschaften, die du in dich aufzunehmen wünschst.
2. Während du den Atem anhältst, stelle dir mit aller Gewissheit vor, dass dein Körper und dein Geist tatsächlich von diesen guten und edlen Eigenschaften erfüllt sind.
3. Sei beim Ausatmen von der Gewissheit durchdrungen und zweifle nicht im Geringsten daran, dass du alle Sünden, Schwächen, Mängel, Leiden, Hemmnisse usw. aus Körper und Geist verbannst. Diese Autosuggestionen sollten besonders eifrig und gewissenhaft durchgeführt werden.

Mantra-Jap (die Wiederholung des göttlichen Namens) sollte aufgenommen werden. Wer Mantra-Diksha (die Einweihung) erhalten hat, kann das Istha-Mantra zumindest eine halbe Stunde lang wiederholen, nachdem er die Mudras, Bandas, Asanas und Pranayamas beendet hat. Hinter jedem Mantra steht eine große Kraft, und die regelmäßige und planvolle Ausübung von Mantra-Jap in tiefem Glauben kann Wunder vollbringen. Wenn Mantra-Jap im Anschluss an die Pranayamas mit den aufgeführten Autosuggestionen über längere Zeit hinweg geübt wird, so wird man tatsächlich ein anderer Mensch, ein reiner Mensch, ein heiliger Mensch.

Durch diese Übungen kann man in der Tat den Körper, die Nadis und den Geist reinigen. Doch muss man sie mit dem rechten Ernst und über einen langen Zeitraum hinweg ausführen. Wenn die Übungen nach einiger Zeit wieder aufgegeben werden, so hat man nur seine kostbare Zeit vergeudet. Man sollte so viel Geduld haben, dass man auch Durststrecken mit Beharrlichkeit übersteht. Man sollte sich keinesfalls entmutigen lassen, wenn sich der Erfolg nicht unmittelbar einstellt. Denke daran, dass auch Rom nicht an einem Tag erbaut wurde und dass kein aufrichtiges Bemühen jemals vergebens ist. Es ist dies nur eine Frage der Zeit, der Erfolg muss sich früher oder später einstellen. Wenn man die oben beschriebenen Mudras, Bandas, Asanas und Pranayamas über lange Zeit hinweg regelmäßig und planvoll weiterführt, wird man mit Sicherheit feststellen, dass sie bei den verschiedensten körperlichen und geistigen Erkrankungen als Heilmittel wirken und einen vorbeugenden Schutz verleihen. Als Anzeichen guter körperlicher und geistiger Gesundheit kann man den folgenden Symptomen mit freudiger Erwartung entgegensehen:

1. Der Körper wird leicht.
2. Der Verstand (Intellekt) wird scharf und klar.
3. Das Gedächtnis gewinnt an Kraft.
4. Die Willenskraft wird fest und unerschütterlich.
5. Das Körperfett wird weniger.
6. Der Bauch wölbt sich nicht länger vor (kein Speckbauch mehr).
7. Das Gesicht strahlt Heiterkeit aus.
8. Die Augen werden hell und leuchtend.
9. Die Stimme wird sanft (wer Yoga betreibt, kann niemals eine raue Stimme haben).
10. Kein übelriechender Schweiß wird bemerkbar sein, und der Körper wird einen andauernden Wohlgeruch verbreiten.
11. Urin und Stuhl werden weniger.
12. Der Geist bleibt ruhig und friedvoll und frei von jeder Unrast. Wünsche und Gedanken schwinden mehr und mehr, und Zufriedenheit tritt an ihre Stelle.
13. Die Sinne werden bezwungen.

Nach einer sechsmonatigen Übungsdauer wird ein wunderbarer Wandel offenbar werden.

III. Pranayama als Mittel zur Heilung von Krankheiten

Wenn jemand diese Pranayamas und die anderen Übungen mit festem Glauben aufrichtig über einen Zeitraum von sechs Monaten oder länger fortführt, erwirbt er die Reinheit des Körpers, der Nadis (Nerven) und des Geistes. Und wenn der Geist eines Menschen ruhig wird und frei von allen wirren Gedanken, Wünschen und Gefühlsregungen, kann die Kundalini Shakti in ihm unschwer ihren Weg nach oben antreten. Ein solcher Mensch begreift die Wirkungsweise des Prana und der Prana-Ströme im Körper mit Leichtigkeit. Wie schon erklärt wurde, hat der Mangel oder der Überschuss an Prana oder Prana-Strömen (Nervenenergie) in irgendeinem Teil des Körpers die Erkrankung des betreffenden Körperteils zur Folge. Wenn daher die Kundalini Shakti, also der Ursprung der Nervenenergie, auf unternormale oder übernormale Weise tätig ist, entsteht ein Mangel oder ein Überschuss an Nervenenergie im Körper, und dies wird zur Ursache einer großen Zahl unserer körperlichen und geistigen Krankheiten. Um sich vollkommener körperlicher und geistiger Gesundheit zu erfreuen, muss man die Kundalini Shakti auf normale Weise arbeiten lassen und die Nervenenergie gleichmäßig auf die verschiedenen Körperregionen verteilen. Dies kann durch Pranayama mühelos bewerkstelligt werden. Wer den beschriebenen Methoden bis zu diesem Punkt mit Erfolg nachgekommen ist und ausreichende Fortschritte gemacht hat, sollte wie folgt verfahren:

Führe die Bandas, Mudras, Asanas, Jap und die Pranayamas Nr. 1 und 2 wie bisher fort. Bei der Ausführung der Pranayamas Nr. 3 und 4 sollte man aber mit der Vorstellung einatmen, dass der ganze Körper mit Prana, guter Gesundheit usw. erfüllt wird. Man sollte den Atem mit der festen Überzeugung anhalten, dass der ganze Körper von Kopf bis Fuß mit Prana-Energie erfüllt ist. Man sollte den ganzen Körper vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen im Geiste überblicken und sich dabei vorstellen, dass jeder Nerv und jede Zelle von Energie erfüllt ist und dass es nirgends eine Stelle gibt, an der ein Überschuss oder ein Mangel an Energie besteht. Sollte irgendein Organ oder ein Körperteil angegriffen oder erkrankt sein, dann sollte man seinen Geist auf den betreffenden Bereich oder auf das Organ konzentrieren, mit der Vorstellung, dass der angegriffene Bereich oder das Organ mit der erforderlichen Energie versorgt wird. Wenn man diese Methode gewissenhaft anwendet, nachdem man sie gründlich erlernt hat, kann man jederzeit alle Erkrankungen des Körpers heilen, unter denen man gerade leidet. Durch diese Methode erkennt man, was wahre Ruhe, wahrer Frieden und wahres Glück bedeuten. Wer einen solchen Frieden und ein solches Glück in sich verspürt, der rennt nicht länger hinter niedrigen Sinnesfreuden her. Er genießt die Wohltat wirklicher Entspannung und tiefen Schlafes und erfreut sich vollkommener geistiger und körperlicher Gesundheit.

IV. Pranayama als ein Hilfsmittel, um die Kontrolle über den Geist, die sexuelle Energie, die Atmung und die Nervenströme zu gewinnen und die Kundalini Shakti emporzuführen

Regeln, die bei der Aufnahme der höheren Formen von Pranayama streng befolgt werden müssen

1. Der Ort der Ausübung
Der Platz, der für diesen Zweck ausgesucht wird, sollte weder zu hoch noch zu tief gelegen sein, auch sollte er sich nicht in einem Tal befinden. Er sollte freundlich, sauber, eben und trocken sein, und frei von Staub, Rauch, Fliegen und anderen störenden Insekten. Wenn es sich um ein Zimmer handelt, so sollte dieses frisch und gut durchlüftet sein. Alle Fenster in diesem Raum müssen geöffnet sein, damit die Luft gut durch-strömen kann; auch sollte man dort nicht schlafen. Er sollte nur für diesen einen Zweck bewahrt und heilig gehalten werden, und es sollten Fotos oder Bilder von Göttern und Göttinnen darin aufgehängt werden, Bilder von Heiligen und anderen anbetungswürdigen Menschen, die du liebst und verehrst und deren Anblick und Erinnerung dich beseelt und erhebt. Auch können darin Vasen mit schönen und lieblichen Blumen aufgestellt und morgens und abends Räucherstäbchen angezündet werden, nicht aber während der Pranayama-Übungen. Betritt den Raum immer nur in sauberen Kleidern und mit reinem Geist. Wenn sich der auserwählte Platz im Freien befindet, so sollte er frei von Zugluft sein und geschützt liegen. Er sollte nicht in einem Wald, in einem Flussbett, in einer sandigen Gegend, in einer Steppe oder in der Nähe eines Wasserfalls gelegen sein. Er sollte nicht überfüllt und dicht bevölkert oder mit Steinen übersät sein; auch sollte er nicht zu weit von der eigenen Wohnstätte entfernt liegen. Alle diese Faktoren und äußeren Umstände wirken beklemmend und beunruhigen den Geist und sind daher für die Ausübung von Pranayama von Nachteil. Um seine wohltuende Wirkung entfalten zu können, muss Pranayama immer mit entsprechender Sorgfalt und Aufmerksamkeit ausgeführt werden, andernfalls versagt es kläglich und wird sogar gefährlich. An ungeschützten Stellen droht häufig Gefahr durch wilde Tiere usw., und auf öffentlichen Plätzen muss man damit rechnen, dass unwissende und gemeine Leute unnötige Störung und Lärm verursachen.
Angst und Furcht erzeugen Schreckzustände, die ihrerseits die Ursache einer Vielzahl von Krankheiten sind und das Weiterkommen verzögern. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass die Auswahl eines geeigneten Platzes für die höheren Formen von Pranayama mit jeder erdenklichen Sorgfalt getroffen wird.

2. Das Klima
Das Klima sollte weder zu kalt noch zu heiß sein. Extreme klimatische Verhältnisse sind für die Ausübung der höheren Formen von Pranayama vollkommen ungeeignet. Das Klima sollte daher immer gemäßigt sein.

3. Die Jahreszeiten
Führe die erwähnten Asanas, Bandas, Mudras und Pranayamas regelmäßig aus. Fahre mit diesen Übungen etwa ein Jahr lang systematisch fort, bis du vollständig mit ihnen vertraut bist. Dann erst gehe zu den höheren Formen von Pranayama über und beginne mit ihrer Ausübung in der trockenen Jahreszeit. Wenn du einmal mit ihrer Ausführung begonnen hast, kannst du sie das ganze Jahr hindurch weiterführen.

4. Die Ernährung
Wer die höheren Formen von Pranayama aufnehmen möchte, muss im Hinblick auf sein Essen und Trinken große Sorgfalt walten lassen. Jedes Nahrungsmittel hat bestimmte gute und schlechte Eigenschaften und wirkt auch entsprechend. Seine Auswahl hängt wiederum ab von der eigenen Konstitution, der Verträglichkeit und der Zubereitungsart. Nehmen wir zum Beispiel Milch. Die Milchkost mag einigen gut bekommen und von anderen weniger gut vertragen werden. Selbst wenn sie einem bekommt, muss man wissen, wie viel man davon zu sich nehmen kann. Wenn man mehr als die erforderliche Menge zu sich nimmt, so wird dies den Magen und damit auch den ganzen Organismus durcheinanderbringen, wodurch die Ausführung von Pranayama ebenfalls beeinträchtigt wird. Speise und Trank wählt man am besten auf folgende Art und Weise aus:

a. Passe deine Ernährung den klimatischen Bedingungen
deines Wohnsitzes an.
b. Wähle unter den am Ort erhältlichen Nahrungsmitteln
diejenigen aus, welche dir am besten bekommen.
c. Achte darauf, dass die ausgewählte Nahrung einfach,
nahrhaft und leicht verdaulich ist.
d. Meide zu viel Hitze oder Kälte erzeugendes Essen und
Trinken.
e. Nimm nicht zu viel an sauren, scharfen, süßen, bitteren, salzigen oder heißen Dingen zu dir.
f. Vermeide stark gewürzte Kost und gebratene Speisen.
g. Iss keine unreifen oder überreifen Früchte.
h. Meide alle Speisen und Getränke, die eine übernormale Hitze oder Kälte im Organismus erzeugen und lustvolle Wünsche und Gedanken entstehen lassen.
i. Vermeide alle Speisen und Getränke, die harten oder dünnflüssigen Stuhlgang verursachen, denn beides ist vom Übel.
j. Meide Gemüse und Obst, das Schläfrigkeit und Trägheit verursacht oder Blähungen erzeugt.
k. Nimm keinerlei Speise oder Trank aus den Händen un-lauterer Menschen, ob Mann oder Frau, entgegen, d. h. von sündhaften und verkommenen Personen, denn derartige Unreinheiten sind übertragbar. In gleicher Weise, wie man zum Schutz der körperlichen Gesundheit im Umgang mit Kranken Vorsicht walten lässt, die unter Tuberkulose, Cholera oder der Pest leiden, so sollte man diese Vorsichtsmaßnahmen auch zur Erhaltung der geistigen und seelischen Gesundheit treffen. Wenn du auf dem geistigen Weg ein wenig vorangeschritten bist, so wirst du die Auswirkungen eines solchen Umgangs deutlich verspüren. Wenn du diesen Dingen keine Beachtung schenkst, wirst du darunter zu leiden haben und auch nicht den geringsten Fortschritt machen können. Darum stellten die einstigen Yogis in Indien so strenge Regeln bezüglich Speise und Trank auf. Es gibt sogar heute noch viele strenggläubige Menschen, die kein Gericht von einem Hotel oder aus der Hand einer jeden beliebigen Person entgegennehmen. Sie sind nicht abergläubisch, wie es einige unter uns aus reiner Unwissenheit behaupten mögen. Viele Yogis bereiten sich ihr Essen selbst zu. Dies ist die beste und sicherste Methode, um den Tücken und Gefahren aus dem Weg zu gehen, die mit der kritiklosen Einnahme einer jeglichen Art von Speise oder Getränk verbunden sind.

1. Halte die Kochstelle (Küche) sauber und ordentlich. Betritt sie nicht mit Schuhen. Stelle bei Bedarf ein Paar saubere Holzsandalen bereit, die nur in der Küche getragen werden sollen.
m. Speise und Trank werden unrein, wenn sie mit Fliegen, Haaren oder Staub in Berührung kommen. Meide daher solche Nahrungsmittel.
n. Verwende kein abgestandenes oder kaltes Essen, keine aufgewärmten Speisen oder Gerichte, die nach dem Kochen länger als drei Stunden stehengeblieben sind. Jede derartige Nahrung sollte von einem Sadhaka (einem Strebenden auf dem geistigen Weg) als unrein angesehen werden.
o. Nimm nicht an dem Mahl der Sraddha-Zeremonie teil, welches im Namen eines Verstorbenen angeboten wird, da dies für einen Sadhaka schädlich ist. Durch die Einnahme unreiner Nahrung wird man von Schläfrigkeit, Trägheit und Faulheit übermannt; es entstehen schlechte und lustvolle Wünsche und Gedanken, und oft verliert man den Glauben an den eigenen Weg. Die Arbeit beginnt unregelmäßig zu werden und man wird von Krankheiten verschiedenster Art heimgesucht. Dies ist der Anfang vom Ende.

5. Wie das Essen eingenommen werden soll
Sprich nicht während der Mahlzeit. Bewahre vollkommenes Stillschweigen. Bringe Speise und Trank im Geiste Gott oder deiner Istha-Devata (der auserwählten Gottheit) dar. Durch diese Darbringung wird das Essen geweiht, wodurch es noch reiner wird. Fülle den Magen während einer Mahlzeit zur Hälfte mit festen Nahrungsbestandteilen, zu einem Viertel mit Wasser und das verbleibende Viertel lasse leer, damit sich die Nahrung ungehindert vermischen kann. Dies ist die richtige Art der Nahrungsaufnahme gemäß den Regeln von Pranayama. Auch soll man nicht fasten oder nur eine Mahlzeit am Tag zu sich nehmen. Ein Yogi sollte in der Tat nicht mehr als drei bis vier Stunden vergehen lassen, ohne etwas zu essen, d. h., er sollte alle drei bis vier Stunden etwas leichte Kost zu sich nehmen. Die Ausübung von Pranayama steigert das Feuer der Verdauung im Körper, und wenn dieser gesteigerten Verdauungskraft keine Nahrung zur Verarbeitung angeboten wird, verzehrt sie die eigene Körpersubstanz und verursacht dadurch die verschiedensten Leiden. Die Nichtbeachtung dieses Gebots hat dazu geführt, dass sich viele als Folge ihrer Pranayama-Übungen unheilbare Krankheiten zugezogen haben. Iss niemals etwas in Eile. Alles, was man verzehrt, sollte gründlich gekaut werden, bevor es hinuntergeschluckt wird. Wenn du Milch trinkst, dann gieße sie nicht in einem Zug hinab, wie du es beim Wassertrinken tun magst, sondern trinke sie in kleinen Schlückchen. Dadurch wird sie besser verdaut.

Einige Nahrungsmittel, die gefahrlos eingenommen werden können, vorausgesetzt, dass sie der eigenen Konstitution entsprechen
a. Nimm so viel Naturreis, wie es deinem Bedarf entspricht, und koche ihn gut durch. Gib ein halbes Seer (einen halben Liter) Kuhmilch und soviel reinen Ghee (ausgelassene Butter, die nach dem Kochen durch ein Tuch gefiltert wurde) hinzu, wie dir zusagt, und Zucker, um es schmackhaft zu machen. Füge noch ein halbes Chattack (15 Gramm) Rosinen hinzu und koche es auf.
Dies eignet sich gut als Mittagessen. Trinke morgens und abends Kuh- oder Ziegenmilch. Koche sie nicht zu lange. Nimm die Milch vom Feuer weg, sobald sie zu kochen beginnt. Zusammen mit der Milch kannst du ein oder zwei reife Bananen, getrocknete Trauben, Datteln und Nüsse einnehmen. Nimm am Morgen und am Abend immer nur leichte Kost zu dir. Nach dem Essen solltest du dich niemals träge oder schläfrig fühlen. Der Geist muss immer wach bleiben.
b. Wenn dir die obige Kost nicht bekommt, dann ernähre dich nur von Milch und Früchten. Verwende Früchte, wie Bananen, süße Trauben, Orangen, Datteln, Äpfel, Nüsse, Granatäpfel usw. Finde heraus, welche Früchte dir bekommen und dir bei deinen Übungen förderlich sind. Nimm drei oder vier Mal im Laufe eines Tages Kuh- oder Ziegenmilch mit Früchten zu dir. Teile dir die Essenszeiten und die Nahrungsmenge so ein, wie es deinen Bedürfnissen entspricht, c. Falls dir selbst eine Kost aus Milch und Früchten nicht bekommen sollte, kannst du folgendes versuchen:
I. Nimm Gersten- oder Weizenbrot und dazu — je nach Bedarf — Ghee, Butter und Honig oder Zucker. Wenn du Dal oder Gemüse bevorzugst, dann bereite dir grünen Gram-Dal (Bohnenart von Kichererbsengröße) zu, oder Gemüse wie Spinat, Kartoffeln, Tomaten, Flaschenkürbis usw. Würze mit getrocknetem Ingwer und schwarzem Pfeffer. Wer will, kann auch Zitronensaft hinzugeben.
II. Bereite Khichudi zu. Verwende Naturreis und grünen Gram-Dal in einem Verhältnis, das deinen Bedürfnissen entspricht. Schneide Kartoffeln in Stücke und vermenge sie mit dem Reis und dem Dal. Koche dann alles zusammen mit Wasser. Gib fein zerschnittene rohe Ingwerstückchen, gemahlenen schwarzen Pfeffer, etwas Salz und Gelbwurzpulver hinzu. Die zubereitete Mahlzeit sollte halbflüssig und nicht fest sein. Kocht man 1/4 Seer (1/2 Pfd.) der Mischung aus Reis und Dal in einem Seer (1 Liter) Wasser, so erhält man daraus gewöhnlich eine Mahlzeit von halbflüssiger Konsistenz. Kurz bevor du das gekochte Khichudi vom Feuer (Anghiti) herunternimmst, kannst du bei Bedarf noch geschnittene Tomatenscheibchen hinzufügen. Bereite es dir als Mittagessen zu und nimm am Morgen und am Abend Milch mit Früchten zu dir. *

(* Die hier aufgeführten Vorschläge zur Nahrungszubereitung beziehen sich in erster Linie auf indische Verhältnisse. Jeder muss für sich selbst herausfinden, welche Nahrungsmittel ihm am besten zusagen, unter Berücksichtigung der jeweiligen klimatischen Verhältnisse und der eigenen Konstitution. So mögen z. B. heißer Tee oder Kaffee in den kalten Klimazonen eine Notwendigkeit sein, während sie in Indien sehr nachteilige Auswirkungen nach sich ziehen würden.)

6. Brahmacharya
Wer mit den höheren Formen von Pranayama beginnen möchte, muss strenges Brahmacharya (sexuelle Enthaltsamkeit) befolgen. Ohne dies in Gedanken, Worten und Taten einzuhalten, ist es zwecklos, ja sogar äußerst gefährlich, diese höheren Formen auszuführen. Es sind viele Fälle bekannt geworden, in denen dadurch unheilbare Krankheiten verursacht wurden, und viele sind sogar verrückt geworden. Man sollte sich deshalb vorsehen und nicht mit seinem eigenen Leben spielen. Der Erfolg bei der Ausübung der höheren Formen von Pranayama gründet in erster Linie auf der Befolgung von strengem Brahmacharya, und allein dadurch kann man die Kundalini Shakti zu höheren Chakras aufsteigen lassen.

7. Das Baden
Nimm kein kaltes Bad vor Sonnenaufgang. Auch solltest du nicht unmittelbar im Anschluss an die Asanas und Pranayamas baden. Lasse zumindest eine Dreiviertelstunde nach den Pranayama-Übungen vergehen, bevor du dich anschickst zu baden. Bade nach Sonnenaufgang. Ein frühes Bad in sehr kaltem Wasser beeinträchtigt häufig die ungehinderten Bewegungen der Kundalini Shakti und verursacht Atembeschwerden, wandernde Schmerzen usw.

8. Das Reden
Rede nur über Dinge, die für andere und für dich selbst von Nutzen sind. Äußere nie ein grobes Wort und gerate nicht über einen anderen Menschen in Zorn. Sprich immer die Wahrheit und sei ohne Falsch. Sei immer Herr deiner Worte. Ein geschwätziger Mensch kann niemals ein Yogi werden.

9. Die Kleidung
Führe die Pranayama-Übungen stets in sauberer, leichter und lose anliegender Kleidung aus. In engen und schweren Gewändern kann man Pranayama nicht in der rechten Weise üben.

10. Die Haltung
Übe Pranayama immer im Sitzen. Sitze in Padmasana, Siddhasana oder in irgendeinem anderen Asana, dass dir angenehm ist. Um Pranayama auszuüben, die Atmung zu regulieren, die Kundalini Shakti emporzuführen und den Atem zu beherrschen, muss das Asana fest und unbeweglich sein. Während der Ausübung von Pranayama darf der Körper nicht schwanken; auch soll man die Gesichtsmuskeln nicht anspannen. Nimm eine natürliche Haltung ein. Halte aber Rumpf, Brust, Hals und Kopf in einer geraden Linie. Auch sollst du während der Ausführung von Pranayama nicht niesen oder husten. Dies ist gefährlich und kann zu Taubheit führen. Ein Schütteln des Körpers oder ein Wechsel des Asana im Ver-lauf der Pranayama-Übungen ist ebenfalls gefährlich. Es behindert die Aufwärtsbewegung der Kundalini Shakti und kann lustvolle Wünsche und Gedanken hervorrufen und einen Rückfall verursachen.

11. Weitere Regeln
a. Reinige Mund, Zähne, Zunge, Kehle und Nase gründlich, bevor du mit Pranayama beginnst.
b. Ziehe dich zur Ausführung deiner Pranayama-Übungen an einen ungestörten Platz zurück, denn Pranayama muss mit voller Konzentration durchgeführt werden.
c. Sei regelmäßig und planvoll bei deiner täglichen Arbeit, der Andacht und den Ruhepausen. Vernachlässige deine Pranayama-Übungen nicht, und versäume nicht, sie jeden Tag auszuführen.
d. Übe niemals Pranayama, wenn du dich krank oder ermüdet fühlst (sofern dir dein Guru keine anderen Anweisungen erteilt hat) oder wenn du Kummer hast, denn in einer derartigen Geistesverfassung ist es nicht möglich, Pranayama mit voller Konzentration durchzuführen.
e. Es ist am besten, Pranayama mit leerem Magen zu üben, nachdem man Blase und Darm entleert hat. Lasse nach einer schweren Mahlzeit zumindest drei Stunden vergehen, bevor du mit Pranayama beginnst.
f. Unmittelbar nach der Beendigung von Pranayama solltest du weder essen, trinken, schlafen, gehen, reden, lesen noch dich mit anderen Dingen beschäftigen. Erhebe dich nicht sogleich aus dem Asana und setze dich nicht der Zugluft, der Kälte usw. aus. Dies ist gefährlich. Lockere das Asana und bleibe in bequemer Haltung am selben Platz zehn bis fünfzehn Minuten lang still sitzen, und verlasse erst dann den Übungsort.
g. Nimm kein Bad nach den Pranayama-Übungen, bevor nicht wenigstens eine Dreiviertelstunde vergangen ist.
h. Brahmacharinis (Jungfrauen und Ehefrauen, die Brahmacharya befolgen), welche die höheren Formen von Pranayama aufnehmen, müssen mit der Ausübung während der monatlichen Regel fünf Tage lang aussetzen.
i. Brahmacharis und Brahmacharinis müssen beide ein Coupinum (»Lendentuch«)* tragen. Dies ist sehr hilfreich bei der Einhaltung von Brahmacharya und bei der Ausübung von Pranayama.

(* Das Coupinum (»Lendentuch«) wirkt dem beständigen Ausströmen der Kundalini-Ströme durch After und Genitalien entgegen. Es soll so getragen werden, dass ein gewisser Druck auf den Damm ausgeübt wird. Dazu bindet man sich am besten einen Gürtel oder ein schmales Baumwolltuch um die Hüften. Nun schlingt man ein etwa 20 cm breites und 120 cm langes Baumwolltuch vorne um den Gürtel herum, bis beide Hälften des Baumwolltuchs aufeinander zu liegen kommen. Daraufhin führt man die herabhängenden und ausgebreitet aufeinanderliegenden Enden des Baumwolltuchs zwischen den Beinen hindurch und schlingt sie hinten am Rücken mehrfach um den Gürtel herum, so dass das Coupinum eng anliegt.)

j. Wer die höheren Formen von Pranayama aufnehmen möchte, muss folgendes vermeiden: Furcht, Zorn, Be-sorgnis, Trägheit, zu viel Schlaf oder zu langes Wach-bleiben, leeres Gerede oder Klatsch, den Umgang mit schlechten, unsittlichen, bösen und charakterlosen Men-schen, das ungezwungene Beisammensein und Plaudern mit Personen des anderen Geschlechts, lange Fußmärsche, schwere körperliche Arbeiten oder Übungen und geistige Überanstrengung. Die Nichtbeachtung dieser Regeln wird zu Misserfolg und auch zu Krankheiten führen. Es ist darum notwendig, Aufmerksamkeit walten zu lassen und sich in acht zu nehmen.

12. Eine ernste Warnung an alle Sadhakas (geistig Strebende)
Sieh dich vor, dass du nicht der Versuchung erliegst, durch die Übertragung von Prana geistige Heilungen durchzuführen. Dies ist ein unbewusstes und zugleich lebensgefährliches Spiel mit deinen eigenen geistigen Errungenschaften. Ein wahrer und aufrichtiger Sadhaka muss sich von derartigen Dingen auf jeden Fall fernhalten, wenn er mit Pranayama Fortschritte erzielen und auf dem geistigen Weg wirklich weiterkommen möchte. Wenn ein Sadhaka die nötige Reinheit des Körpers, der Nadis und des Geistes bis zu einem gewissen Grad erlangt hat, kann er mit Leichtigkeit solche Wunder vollbringen, doch die dadurch ausgelösten Reaktionen sind schwerwiegend und gefährlich. Häufig muss der Heilende die Krankheit dessen, den er zu heilen beabsichtigte, auf sich selbst nehmen. Wenn er nicht stark genug und noch nicht genügend weit vorangeschritten ist, wird er auf dem geistigen Pfad einen Rückschlag erleiden und seine Errungenschaften zunichtemachen. Es wird ihm am Anfang zweifellos gelingen, Kranke zu heilen; doch würde er nach einigen erfolgreichen Behandlungen kläglich versagen und dann oft unter unheilbaren Krankheiten und Schicksalsschlägen zu leiden haben. Viele Leute, die solche Wunderheilungen vollbrachten, haben ihr Ziel vollständig verfehlt und ihrer ganzen geistigen Laufbahn ein unrühmliches Ende bereitet. In manchen Fällen haben solche Leute während der Zeit schwerster Reaktionen sogar Selbstmord begangen. Daher unser Ratschlag: mache niemals Gebrauch von übernatürlichen Kräften, die du während deines Sadhana erworben haben magst, wenn du dein ersehntes Ziel wirklich sicher erreichen willst. Nur wenn man Samadhi erlangt hat und die Notwendigkeit verspürt, einen solchen Weg einzuschlagen, kann man dies tun, aber nicht, um seine Fähigkeiten zur Schau zu stellen, oder aus Stolz.

5. Pranayama- Lektion Fünf

Führe zuerst die Pranayamas aus, die in dem Kapitel »Pranayama als körperliche und geistige Übung« beschrieben wurden. Sitze aufrecht in Padmasana. Verschließe die rechte Nasenöffnung fest mit dem Daumen deiner rechten Hand. Atme so langsam und geräuschlos wie möglich vier Sekunden lang ein. Die Atmung soll dabei sanft, gleichmäßig und sehr langsam sein, so dass selbst ein ganz feiner Faden, der in die Nähe der Nasenöffnung gebracht wird, nicht erzittert. Während der Einatmung, beim Anhalten des Atems und während der Ausatmung sollst du die Muskeln des Gesichts nicht anspannen und den Körper nicht bewegen. Sitze fest und nicht verspannt in deinem Asana. Die Nasenöffnung soll weit geöffnet und passiv gedehnt bleiben. Verschließe nun, nachdem du auf diese Weise vier Sekunden lang eingeatmet hast, beide Nasenöffnungen mit dem Daumen, und mit dem Ringfinger und dem kleinen Finger der rechten Hand und halte den Atem sechzehn Sekunden lang an. Verschließe dann die linke Nasenöffnung mit Hilfe des Ringfingers und des kleinen Fingers deiner rechten Hand und atme genau so langsam und geräuschlos wie beim Einatmen acht Sekunden lang aus. Atme dann, indem du die linke Nasenöffnung in der beschriebenen Weise verschlossen hältst, wie zuvor vier Sekunden lang durch die rechte Nasenöffnung ein, halte den Atem sechzehn Sekun-den lang an und atme dann acht Sekunden lang durch die linke Nasenöffnung aus. Damit ist eine Runde oder ein Pranayama abgeschlossen. Übe vier Runden in einem Zug, d. h., ohne dazwischen eine Pause einzulegen. Mache erst halt, wenn du die vier Runden beendet hast. Führe dieses Pranayama vier Mal täglich aus, und zwar morgens, mittags, abends und um Mitternacht. Du kannst dieses Pranayama in Verbindung mit den Pranayamas I-IV durchführen, aber nur am Morgen. Zu den übrigen drei Tageszeiten übe dieses Pranayama für sich alleine aus. Wenn man diese höhere Form von Pranayama ausüben will, so ist es stets besser, die persönliche Unterweisung und Hilfe eines erfahrenen Lehrers in Anspruch zu nehmen. In Ermangelung einer richtigen Führung und durch unachtsame Ausführung haben viele unter unerwünschten Auswirkungen zu leiden. Man sollte sich deshalb von dieser Gefahr in Acht nehmen.

Wie man das Zeitmaß einhält und weiter voranschreitet
Die einfachste Methode ist, beim Einatmen von eins bis vier zu zählen, beim Atemanhalten bis sechzehn und beim Ausatmen bis acht. Gewöhne dich zuerst an das Zählen und an das gleichmäßige (Ein- und Aus-) Atmen. Wenn du feststellst, dass du gleichmäßig atmen und gleichzeitig dabei zählen oder das Zeitmaß einhalten kannst (das richtige Verhältnis von Einatmung, Atemanhalten und Ausatmung), dann beginne mit folgender Methode: Wenn du einatmest, dann behalte das Zählen bei und verfolge gleichzeitig im Geiste den Verlauf des Sushumna Nadi von Muladhara hinauf nach Sahasrara. Stelle dir mit fester Überzeugung vor, während du im Geiste den Verlauf des Sushumna Nadi in dieser Weise nach oben verfolgst, dass du die Kundalini Shakti dabei vollständig vom Muladhara-Chakra hinauf nach Sahasrara führst. Zähle, während du den Atem anhältst, von eins bis sechzehn und stelle dir im gleichen Augenblick vor, dass dein ganzer Körper vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen gleichmäßig von Prana durchdrungen ist und dass du den ganzen Körper und den Geist auch mit Reinheit, Gesundheit usw. erfüllst. Und wenn du ausatmest, dann verfolge im Geiste den Verlauf des Sushumna-Kanals von Sahasrara zurück nach Muladhara und stelle dir dabei vor, dass du die Kundalini Shakti zurück nach Muladhara führst. Halte dabei das Zeitmaß ein. Verfahre so während des ganzen Pranayama. Es erfordert eine tiefe Konzentration und harte Arbeit, um zwei oder drei Gedanken gleichzeitig im Bewusstsein zu halten; es kann dies nur durch die volle Konzentration des Geistes erzielt werden. Erst wenn du die vorherigen Pranayama-Lektionen wenigstens sechs Monate lang regelmäßig ausgeführt hast und mit dem Verfahren vertraut geworden bist, kannst du zu diesem Pranayama übergehen und dich darin üben, deine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf drei oder vier Gedanken zu richten. Handle niemals überstürzt — und sei geduldig.

Warum ist das Zeitmaß in diesem Pranayama gerade 1:4:2 und nicht anders?
Das Verhältnis einer vier Sekunden langen Einatmung zu einem sechzehn Sekunden langen Anhalten des Atems und einer Ausatmung über acht Sekunden ist aus folgenden Gründen sehr vernünftig und wissenschaftlich:
1. Die Übung lässt sich in diesem Zeitmaß gut durchführen.
2. Wenn du die Zeiten immer weiter steigerst, wirst du feststellen, dass du nicht länger einatmen kannst, und gleichzeitig wird es dir leicht fallen, über einen längeren Zeitraum auszuatmen als einzuatmen.
3. Dadurch, dass die Ausatmung länger dauert als die Einatmung, kann man das ganze Kohlendioxid vollständig von der Lunge abatmen. Dies ist bei Pranayama (Atemübungen) von größter Bedeutung. Bei der gewöhnlichen Atmung wird das Kohlendioxid nicht vollständig abgeatmet, und es wird so zur Ursache einiger Erkrankungen.
4. Wenn der Atem länger angehalten wird, kann der ein-geatmete Sauerstoff vom Organismus vollständig ausgeschöpft und von den Zellen aufgenommen werden.
5. Durch längeres Atemanhalten wird schon gebildeter Samen eingetrocknet und in Ojas Shakti (die große geistige Kraft) umgewandelt.
6. Das lange Atemanhalten bewirkt, dass sich die Lunge zu ihrer maximalen Leistungsfähigkeit entfaltet.
7. Das lange Anhalten des Atems erhitzt die Kundalini Shakti, es erzeugt gewaltige Nervenenergie und lässt die Shakti zu höheren Chakras aufsteigen.

Wie man das Zeitmaß im Pranayama steigert
Nachdem du das obige Pranayama und die anderen Verfahren über einen beträchtlichen Zeitraum regelmäßig fortgeführt hast und wenn du Freude, Kraft und Zuversicht verspürst, dann steigere die Zeit auf acht Sekunden Puraka (Einatmung), zweiunddreißig Sekunden Kumbhaka (das Anhalten des Atems) und sechszehn Sekunden Rechaka (Ausatmung). Verlängere die Zeit in dieser Weise langsam und beständig auf 36 Sekunden Puraka, 144 Sekunden Kumbhaka und 72 Sekunden Rechaka. Das Verhältnis soll dabei immer 1:4:2 bleiben. Wenn dieses Pranayama in 12, 48 und 24 Sekunden ausgeführt wird, so nennt man es die leichtere Art von Pranayama. Wenn man es in 24, 96 und 48 Sekunden übt, wird es die mittlere Art von Pranayama genannt; und wird es in 36, 144 und 72 Sekunden ausgeführt, dann wird dies als die höchste Art von Pranayama bezeichnet.

Vorteile
Durch die leichtere Art von Pranayama (12, 48 und 24 Sekunden) werden die Unreinheiten des Körpers ausgetrieben, da der Körper zu schwitzen beginnt. Bei der mittleren Art von Pranayama (24, 96 und 48 Sekunden) wird der Körper erbeben. Und bei der Ausführung der höchsten Art von Pranayama (36, 144 und 72 Sekunden) nimmt man das Schweben des Körpers wahr, und man fühlt eine unbeschreibliche Glückseligkeit in sich einströmen. Die Kundalini Shakti steigt dann vollständig auf, und wenn sie Sahasrara erreicht, erlangt man Nirvikalpa Samadhi.

6. Pranayama-Lektion Sechs

Die Technik bei diesem Pranayama ist dieselbe wie in Lektion Fünf. Doch wird es Menschen mit schwacher Lunge schwerfallen, das Zeitmaß über das Verhältnis von 12, 48 und 24 Sekunden hinaus zu steigern. Solche Leute sollten daher nicht über das Zeitmaß von 12 Sekunden Puraka, 48 Sekunden Kumbhaka und 24 Sekunden Rechaka hinausgehen; vielmehr sollten sie, anstatt das Zeitmaß zu verlängern, die Anzahl der Runden erhöhen, und zwar auf sechs in einem Durchgang. Nach einigen Tagen können sie dann die Anzahl der Runden langsam auf zehn und schließlich bis auf achtzig Runden in einem Durchgang steigern, ohne da-zwischen eine Unterbrechung entstehen zu lassen. Erfülle den Geist beim Einatmen, während des Atemanhaltens und beim Ausatmen mit den gleichen Vorstellungen und Gedanken, wie sie. bei Pranayama-Lektion Fünf beschrieben wurden. Führe dieses Pranayama nur zweimal aus, und zwar am Morgen und am Abend. Du kannst dieses Pranayama in Verbindung mit den Bandas, Mudras und Asanas und den ersten vier Pranayamas üben. Nach diesem Pranayama kannst du mit Jap und Tap (Wiederholung des göttlichen Namens und Meditation) beginnen. Wenn du besonders raschen geistigen Fortschritt wünschst, dann versuche Jap und Tap vier Mal täglich durch-zuführen, und zwar morgens, mittags, abends und um Mitternacht. Es ist schwierig, allein durch Pranayama die Kontrolle über den Geist zu gewinnen und Samadhi zu erlangen. Führe darum neben den Pranayama-Lektionen Fünf und Sechs in den verbleibenden Stunden Jap, Tap und leichtere Arbeiten aus.

Wie man die Hitze beherrscht und sich vor Gefahren schützt
Durch die Ausübung von Pranayama entsteht eine große Hitze im Organismus. Oft wird das Gehirn sehr stark erhitzt. Manche leiden auch unter Schlaflosigkeit. Wenn du diese übernormale Hitze verspürst, dann versuche am Ende der Übungen noch einmal Pranayama-Lektion Drei durchzuführen, d. h., übe es einmal in der Reihenfolge der Übungen und dann noch einmal am Schluss. Dieses Pranayama trägt dazu bei, Hitze und Kälte im Organismus und im Gehirn zu vermindern, und es lässt die Kundalini Shakti auf normale Weise arbeiten. Wenn die Hitze besonders stark wird, dann versuche ein nasses Coupinum (»Lendentuch«) drei bis vier Stunden lang am Tage zu tragen oder so lange, wie es für dich gut ist. Tauche das Coupinum in kaltes Wasser, wringe es aus und trage es. Dies wird dazu beitragen, die Hitze im Organismus und im Gehirn zu vermindern. Sogar im Delirium oder bei Schlaflosigkeit kann diese Methode mit großem Erfolg angewandt werden. Diese beiden Anwendungen wirken bei vielen Krankheiten als vorbeugende Maßnahme und als Heilmittel.

Lieber Leser! Wir sind nun am Schluss unserer Ausführungen angelangt, und wir hoffen, dass dieses kleine Buch deine Zweifel auf diesem Gebiet klären konnte. Ein Quentchen Übung ist mehr wert als tausend Theorien.
Sei darum weise – und praktisch. Möge Gott in seiner unendlichen Liebe und Barmherzigkeit deine Bemühungen, mit Erfolg segnen und dich immer auf dem richtigen Pfad führen.

Om Shanti! Shanti!! Shanti!!!


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