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Über Liebe und Bewusstsein, die Seele und das seelische Wesen
– Sri Aurobindo und die Mutter (Der Integrale Yoga)

Auszüge aus den Werken von Aurobindo Ghose und Mirra Alfassa

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SRI AUROBINDO
(1872-1950)

sri aurobindo

Geboren in Kalkutta. Ab seinem siebten Lebensjahr in England aufgewachsen. Kehrte 1893 nach Indien zurück. Nach 13 Jahren Dienst – hauptsächlich als Lehrer – im Bundesstaat Baroda zog er nach Kalkutta, wo er sich dem indischen Unabhängigkeitskampf widmete. Im Jahr 1910 ging er nach Pondicherry, um ausschließlich seiner spirituellen Suche nachzugehen. Seine Werke sind in den 30 Bänden der Sammlung der Sri Aurobindo Birth Centenary Library veröffentlicht worden.

DIE MUTTER
(1878-1973)

Mirra Alfassa

Geboren in Paris als Mirra Alfassa. Studierte Kunst, Musik und Okkultismus. Trifft Sri Aurobindo 1914 in Pondicherry und zieht 1920 dorthin. Sie wurde Sri Aurobindos Mitarbeiterin und erhielt die volle Verantwortung für den Sri Aurobindo Ashram (gegründet 1926), wo sie als Mutter bezeichnet wurde. Ihre Lehren wurden in den Gesammelten Werken der Mutter veröffentlicht, die bis heute 16 Bände umfassen.


Das seelische Wesen

Das, was man in der Terminologie des Integralen Yoga unter “seelisch” versteht, ist das Element der Seele in der Natur, die reine Seele oder der göttliche Nukleus, der hinter dem Mental, Leben und Körper steht, und dessen wir uns nur undeutlich bewusst sind. Er ist ein Teil der Evolution bzw. des Göttlichen, wobei er die Lebenserfahrung durch seine äußeren Instrumente empfängt.

In dem Maße wie diese Erfahrung wächst, offenbart er eine sich entfaltende seelische Persönlichkeit, die immer auf dem Guten und Wahren und Schönen beharrt, und schließlich bereit und stark genug wird, auch Mental, Vital und Körper dem Göttlichen bzw. der Evolution zuzuwenden. Sie kann dann gänzlich hervortreten und den mentalen, vitalen und physischen Schirm durchbrechen, die Instinkte beherrschen und die Menschennatur wandeln.

Unser seelischer Wesensteil ist hinter dem gewöhnlichen Bewusstsein verborgen, ist zunächst nicht entwickelt, und selbst wenn es entwickelt ist, tritt es nicht immer hervor; es verleiht sich in dem Maße Ausdruck wie es die Unvollkommenheit seiner Instrumente erlaubt, und ist an deren Mittel und Begrenzungen gebunden. Es wächst an Bewusstsein durch die Erfahrung und gewinnt jedes Mal Kraft, wenn eine höhere Regung in uns ist; schließlich wird durch die Anhäufung dieser tieferen und höheren Regungen eine seelische Individualität entwickelt – das, was wir meist das seelische Wesen nennen.

Das Wort “Seele” und “seelisch” wird in der englischen Sprache sehr unbestimmt und mit ganz unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Sehr häufig wird in der gewöhnlichen Umgangssprache kein deutlicher Unterschied zwischen Mental und Seele gemacht, und ein noch ernster zu nehmendes Durcheinander entsteht dadurch, dass das vitale Begierdenwesen mit dem Wort “Seele” bezeichnet wird, und nicht die wahre Seele, das seelische Wesen. Das seelische Wesen ist vom Mental oder Vital völlig verschieden; es steht hinter ihnen, dort wo diese sich im Herzen treffen.

Dies ist sein zentraler Ort, doch eher hinter dem Herzen als im Herzen; denn was die Menschen gewöhnlich das Herz nennen, ist der Sitz des Gefühls, und menschliche Gefühle sind mental-vitale Impulse und im Allgemeinen nicht von seelischer Natur.

Diese meist verborgene Macht im Hintergrund ist von Mental und Lebenskraft verschieden, sie ist die wahre Seele, das seelische Wesen in uns. Die Macht der Seele besteht darin, auf Mental, Vital und Körper einzuwirken, sie vermag das Denken, die Wahrnehmung, das Gefühl (welches dann ein seelisches Gefühl wird) sowie die Empfindung und Tat und alles übrige in uns zu läutern, und sie auf diese Weise darauf vorzubereiten, zu Regungen des Wahren, Guten und Schönen zu werden.

Das seelische Wesen würde in der indischen Sprache als der purusha im Herzen bezeichnet werden, als chaitya purusha; doch mit Herz ist das innere oder geheime Herz gemeint, hrdaya guhāyām, und nicht das äußere vital-emotionale Zentrum.

Die Seele und das seelische Wesen

Begriffserklärung:

purusha (Sanskrit: पुरुष puruṣa, m.) Weltseele/seelische Essenz, in allem und jeden

chaitya purusha (Sanskrit: चैत्य पुरुष caitya puruṣa m.) Einzelseele/seelisches Wesen, muss gebildet werden

Hridaya (Sanskrit: हृदय hṛdaya n.) Herz

guhāyām (Sanskrit: गुहायाम्, Lokativ Singular) entspr. innerst, geheim, verborgen, „in der Höhle“ (des Herzens)

seelisches wesen
Vom seelischen Wesen wurde in den alten (philosophischen) Systemen als dem Purusha im Herzen gesprochen (dem geheimen Herzen – hrdaye guhāyām), was voll mit dem übereinstimmt, was wir als das seelische Wesen hinter dem Herz-Zentrum bezeichnen. Es verlässt den Körper beim Tod und besteht fort – dies stimmt wiederum mit unserer Auffassung überein, dass es das seelische Wesen ist, das hinausgeht und zurückkehrt und ein neues mit einem früheren Leben verbindet. Wir sagen, dass die Seele der göttliche Teil in uns ist – und es wird der Purusha im Herzen als der Ishvara der individuellen Natur beschrieben.

Zwischen der Seele in ihrer Essenz und dem seelischen Wesen muss unterschieden werden. Hinter allem und jedem steht die Seele, der Funke der tieferen Evolution bzw. des Göttlichen – keiner könnte ohne sie bestehen.

Es ist jedoch durchaus möglich, ein vitales und ein physisches Wesen zu besitzen, ohne ein deutlich entwickeltes seelisches Wesen dahinter [wie beim Organischen Portal].

Die Seele ist die ewige Essenz im Zentrum des seelischen Wesens. Wenn das seelische Wesen voll geformt ist, erkennt es das Bewusstsein der Seele und verkörpert sie in vollendeter Weise.

In der Erfahrung des Integralen Yoga ist das Selbst oder Wesen essentiell eins mit dem Wahren, Guten und Schönen („dem Göttlichen“). Doch nimmt es zwei Aspekte an, den des purusha und den der prakrti, das bewusste Wesen und die Natur. In der Natur ist das „Göttliche“ verhüllt und das individuelle Wesen der Natur unterworfen, die als niedere prakrti wirkt, als eine Kraft der Unwissenheit, avidya. Der purusha als solcher ist „göttlich“, doch in seiner äußeren Gestalt in der Unwissenheit der Natur ist er die scheinbare Individualität, unvollkommen durch ihre Unvollkommenheit.

Daher birgt die Seele oder seelische Essenz – die der purusha ist, der in die Evolution eintritt und diese stützt – in sich alle göttlichen Möglichkeiten; doch das individuelle seelische Wesen, das die Seele vertritt, nimmt die Unvollkommenheit der Natur an und entfaltet sich in ihr, bis es seine volle seelische Essenz wiedergefunden und sich mit dem Selbst darüber, dessen individuelle Projektion in der Evolution es ist, geeint hat.

Diese Dualität im Wesen auf all seinen Ebenen – denn dies trifft auf andere Art und Weise nicht nur für das Selbst und die Seele zu, sondern auch für den mentalen, vitalen und physischen purusha – muss erkannt und angenommen werden, bevor die Erfahrungen des Integralen Yoga voll verstanden werden können.

Das seelische Wesen ist der Funke, der zu einem Feuer wird und sich mit dem wachsenden Bewusstsein entfaltet. Das seelische Wesen ist daher evolutionär.

Der Mensch ist sich meist seiner Seele nicht bewusst, er kennt nur sein Ego oder sein mentales Wesen, die Leben und Körper beherrschen. Doch wenn er sich tiefer nach innen wendet, erkennt er seine Seele, das seelische Wesen, als seinen eigenen Mittelpunkt, den purusha im Herzen; die Seele ist das zentrale Wesen in der Evolution. Im Verlauf ihrer Evolution nimmt sie die Form einer sich entwickelnden seelischen Individualität an, welche die individuelle Prakriti in der Manifestation entfaltet und an der Evolution teilhat.

Die Seele ist der Funke Göttlichen Feuers, der mit Hilfe des seelischen Wesens hinter Mental, Vital und dem Physischen wächst, bis sie fähig ist, die Prakriti der Unwissenheit in eine Prakriti des Wissens umzuwandeln. Dieses sich entfaltende seelische Wesen ist daher in keinem Augenblick alles, was die Seele oder das essentielle seelische Dasein enthält; es individualisiert das, was potentiell ewig und essentiell transzendent ist.

Das seelische Wesen hält das mentale, vitale und physische Wesen und all die übrigen Teile der Persönlichkeit zusammen, und wacht über dem Leben, entweder mit Hilfe des mentalen Wesens, des mentalen Denkens und Willens oder mit Hilfe der Seele, je nachdem, was sich gerade im Vordergrund befindet oder was in der menschlichen Natur am machtvollsten entwickelt ist. Sobald es seine Kontrolle nicht ausübt, befindet sich das Bewusstsein in großer Unordnung, und jeder Teil der Person handelt für sich, so dass es weder im Denken und Fühlen noch im Handeln Übereinstimmung gibt.

Die Seele befindet sich nicht darüber, sondern im Hintergrund – ihr Sitz ist hinter dem Herzen; ihre Macht ist nicht die des Wissens, sondern die eines essentiellen oder spirituellen Fühlens; sie besitzt den klarsten Sinn für die Wahrheit und eine Art innerer Wahrnehmung für sie, und diese sind für die Seelen-Wahrnehmung und das Seelen-Fühlen kennzeichnend.

Sie ist unser innerstes Wesen und stützt alle übrigen, das mentale, vitale und physische Wesen; sie ist durch diese jedoch stark verhüllt und kann sie nur indirekt beeinflussen, anstatt aufgrund ihres höchsten Rechts direkt zu handeln; dieses direkte Handeln wird erst in einem hohen Entwicklungsstadium oder mit Hilfe des Integralen Yoga etwas Normales und Vorherrschendes. Die Seele ist das innerste Wesen von allen, sie zeichnet sich durch ein Wahrnehmungsvermögen für die Wahrheit aus, das der tiefsten Substanz des Bewusstseins innewohnt, einem Gefühl für das Gute, Wahre, Schöne, für das Göttliche.

Wenn Wissen die weiteste Macht des Bewusstseins ist, und seine Aufgabe darin besteht, zu befreien und zu erleuchten, ist dennoch die Liebe die tiefste und intensivste Macht des Bewusstseins, und es ist ihr Privileg, der Schlüssel zu den unergründlichsten und geheimsten Winkeln des evolutionären Mysteriums zu sein. Der Mensch, da er ein mentales Wesen ist, neigt dazu, dem denkenden Mental, dessen Vernunft und Willen und seiner Art der Annäherung an die Wahrheit und ihrer Verwirklichung, die höchste Bedeutung beizumessen, ja, er sieht sich sogar zu der Annahme veranlasst, dass es keine andere gibt.

Das Herz mit seinen Emotionen und unberechenbaren Regungen ist in der Sicht seines Intellekts eine dunkle, ungewisse und oft gefährliche und irreführende Macht, die durch den Verstand, den mentalen Willen und die Intelligenz unter Kontrolle gehalten werden muss.

Und dennoch ist im Herzen oder dahinter ein tieferes, mystisches Licht; dieses ist zwar nicht das, was wir Intuition nennen – denn diese, obwohl dem Mental nicht zugehörig, kommt dennoch durch das Mental herab – es hat aber dennoch eine direkte Fühlungnahme mit der Wahrheit und ist dem „Göttlichen“ näher als der menschliche Intellekt in seinem Wissensstolz.

Gemäß der alten Lehre ist der Sitz des seelischen Wesens im mystischen Herzen – der geheimen Herzenshöhle, hrdaye guhāyām, wie es die Upanishade ausdrückt –, und nach der Erfahrung vieler Yogis ist es die Stimme des inneren Orakels. Diese Zweideutigkeit, diese gegensätzlichen Erscheinungen von Tiefe und Blindheit, entstehen durch den Doppelcharakter des menschlichen Gefühlslebens.

Denn in den Menschen befindet sich im Vordergrund ein Herz voller vitaler Emotionen, ähnlich dem der Tiere, wenn auch vielfältiger entwickelt; seine Emotionen werden von egoistischer Leidenschaft gelenkt, blinden, instinktiven Neigungen und dem ganzen Spiel der Lebensimpulse mit ihren Unvollkommenheiten, Perversionen und oft schmutzigen Entartungen, – das Herz ist von Lüsten, Begierden und Wutanfällen, von intensiven oder ungestümen Forderungen, von den kleinen Begierden oder niedrigen Schäbigkeiten einer dunklen und gefallenen Lebenskraft bedrängt und ihnen ausgeliefert, und verdorben durch seine Sklaverei an jedweden Impuls.

Dieses Gemisch des emotiven Herzens und des sinneshungrigen Vitals schafft eine falsche Begierdenseele im Menschen; diese ist das rohe und gefährliche Element, dem der Verstand zu Recht misstraut, er empfindet die Notwendigkeit einer Kontrolle – obgleich die tatsächliche Kontrolle, oder besser gesagt, die Gewalt, die er über unsere rohe und beharrliche, vitale Natur auszuüben vermag, immer sehr unsicher und trügerisch ist.

Die eigentliche Seele des Menschen aber ist nicht dort; sie ist in dem wahren, unsichtbaren Herzen in einer leuchtenden Höhle der [menschlichen] Natur verborgen: dort, wo das göttliche Licht einsickert, ist unsere Seele, ein schweigendes, innerstes Wesen, dessen nur wenige je gewahr werden; denn obzwar alle eine Seele [in ihrer Essenz] haben, sind sich nur einige ihrer wahren Seele bewusst, oder fühlen ihren direkten Impuls. Dort wohnt der kleine Funke des „Göttlichen“, der diese dunkle Masse unserer Natur stützt, und um ihn herum wächst das seelische Wesen, die geformte Seele oder der wirkliche Mensch in uns.

In dem Maße wie dieses seelische Wesen in ihm wächst, und die Regungen des Herzens dessen Weisungen und Impulse spiegeln, wird sich der Mensch mehr und mehr seiner Seele bewusst, er hört auf, ein überlegenes Tier zu sein; dann und wann zu flüchtiger Schau der Evolution in ihm erwachend, öffnet er sich immer mehr ihren Hinweisen auf ein tieferes Leben und Bewusstsein und dem Impuls zu göttlichen Dingen. Es ist einer der entscheidenden Momente des integralen Yoga, wenn dieses seelische Wesen befreit wird, und hinter dem Schleier hervortritt, und die volle Flut seiner Ahnungen, Schauungen und Impulse auf das Mental, das Leben und den Körper des Menschen ausgießt.

Das seelische Wesen wird in seiner Evolution von der Seele geformt. Es stützt Mental, Vital, Körper, es wächst durch deren Erfahrungen und trägt die Natur von Leben zu Leben. Es ist das Seelenwesen oder der chaitya purusha. Zu Beginn ist es von Mental, Vital und Körper verhüllt, doch in dem Maße seines Wachsens wird es fähig, hervorzutreten, und Mental, Leben und Körper zu beherrschen; von diesen ist es, um sich Ausdruck zu verleihen, im gewöhnlichen Menschen abhängig, es ist nicht fähig, sie zu ergreifen und frei zu gebrauchen.

Wenn jedoch das seelische Wesen durch die Sadhana [spirituelle Praxis] das Übergewicht gewinnen und seine Instrumente frei gebrauchen kann, wird der Impuls zum Göttlichen vorherrschend und die Umwandlung von Mental, Vital und Körper – und nicht nur ihre Befreiung – möglich.

Sobald die Seele ihr Streben dem Mental, Vital und Körper auferlegt, werden auch diese mit Strebsamkeit erfüllt, und dies wird dann als Strebsamkeit auf der Ebene des niederen Wesens gefühlt. Das Streben, das darüber empfunden wird, ist das der Seele sich im innersten Wesen zu manifestieren. Beide Arten der Strebsamkeit stützen sich daher gegenseitig. Das Suchen des niederen Wesens wird notwendigerweise zu Beginn immer wieder unterbrochen und vom gewöhnlichen Bewusstsein unterdrückt.

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Das seelische Mental, das seelische Vital, das seelische Physische

Es gibt immer einen Teil des Vitals, des Mentals, des Körpers, der durch die Seele beeinflusst wird oder werden kann; sie können der seelisch-mentale, der seelisch-vitale, der seelisch- physische Teil genannt werden. Entsprechend der Persönlichkeit oder dem Grad der Entwicklung jedes Menschen, kann dieser Teil klein oder groß sein, schwach oder stark, verdeckt und untätig, oder hervortretend und in Tätigkeit.

Ist er tätig, dann werden die seelischen Motive oder Ziele durch die Bewegungen des Mentals, Vitals oder des Physischen akzeptiert, sie nehmen am Wesen der Seele teil oder folgen ihren Zielen, jedoch mit einer Modifikation in der Art, wie sie für das Mental, Vital oder Physische typisch ist. Das seelische Vital sucht das Göttliche, doch ist in seinem Selbstgeben Forderung, Begehren und vitale Spannung enthalten. Die Seele hat das nicht, denn der Seele ist stattdessen reines Selbstgeben, Streben und die Intensität des seelischen Feuers eigen. Das seelische Vital ist dem Schmerz und Leid unterworfen, was es in der Seele nicht gibt.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part Four

Solange die Seele verhüllt ist, muss sie sich durch das Vital und Mental ausdrücken, und ihre Bestrebungen werden dort mit dem mentalen und vitalen Stoff vermischt und verfärbt. So drückt sich das verhüllte, seelische Drängen im Mental manchmal als gedanklicher Hunger nach der Erkenntnis des Göttlichen aus, was der Europäer dann die intellektuelle Liebe Gottes nennt. Im Vital kann es sich als ein Dürsten oder Verlangen nach dem Göttlichen bemerkbar machen. Es kann viel Leiden mit sich bringen, aufgrund der Natur des Vitals, seinen unruhigen Leidenschaften, Begierden, seiner Heftigkeiten und aufgewühlten Gefühle, seinen Trübungen, Depressionen und Verzweiflungen.

Wie dem auch sei, alle können nicht, oder können zumindest nicht sogleich, sich dem „Göttlichen“ in der rein seelischen Weise nähern – die mentalen und vitalen Annäherungen sind häufig notwendige Anfänge, und vom spirituellen Standpunkt besser als Empfindungslosigkeit gegenüber dem Göttlichen. Es ist in beiden Fällen der Ruf der Seele, das Drängen der Seele, und nimmt nur die Form oder Färbung an, die dem Druck der mentalen oder vitalen Natur entspricht.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part Two

Oft, wenn man mit gewissen Teilen des Mentals in Berührung kommt, die unter dem seelischen Einfluss stehen, und die voll des Lichtes und der Freude jenes Lichtes sind, oder auch, wenn man mit gewissen sehr reinen und sehr hohen Teilen des Gefühlswesens, voll der hochherzigsten und selbstlosesten Empfindungen in Berührung kommt, hat man den Eindruck in Kontakt mit seiner Seele zu sein.

Es ist aber nicht die wahre Seele, es ist nicht die Seele in ihrer eigentlichen Essenz. Es sind Teile des [menschlichen] Wesens, die unter ihrem Einfluss stehen und etwas von ihr verkörpern. Nun, die Menschen kommen sehr häufig in Kontakt mit diesen Teilen und das gibt ihnen Erleuchtungen, große Freude, Offenbarungen, und sie glauben, sie hätten ihre Seele gefunden.

Es ist aber nur der Teil des Wesens, der unter ihrem Einfluss steht, der eine oder andere Teil, denn… was tatsächlich geschieht ist, dass wenn man diese Dinge berührt, Erfahrungen hat, und sich dann alles wieder verhüllt und man wundert sich: “Wie ist es möglich, dass ich mit meiner Seele in Berührung war, und jetzt bin ich wieder in den Zustand der Unwissenheit und Unbewusstheit zurückgefallen bin?”

Es kommt aber daher, dass man nicht mit seiner Seele in Berührung war, sondern mit jenen Teilen des Wesens, die unter dem Einfluss der Seele stehen und etwas von ihr verkörpern, die aber nicht die Seele sind. Es war nicht die Seele, die man sah. Dabei sind diese Dinge sehr schön und geben dir sehr eindrucksvolle Erfahrungen, es ist aber nicht der Kontakt mit dem seelischen Wesen als solchem.

Dennoch ist die Seele zunächst nur ein Funke und dann eine kleine Flamme, die inmitten großer Finsternis brennt; meist ist sie verhüllt, und zu ihrer Enthüllung bedarf sie des Mentals, der Lebenskraft und des physischen Bewusstseins, und sie muss diese dazu bewegen, ihr [der Seele] so gut es geht, Ausdruck zu verleihen; im allgemeinen hat sie damit bestenfalls insoweit Erfolg, dass sie deren Äußerlichkeit mit ihrem inneren Licht durchdringt und mit ihrer läuternden Feinheit deren dunkle Verborgenheiten oder grobes Gemisch modifiziert.

Selbst wenn ein geformtes seelisches Wesen vorhanden ist, das sich mit einiger Direktheit im Leben auszudrücken vermag, ist es dennoch in allen, ausgenommen in einigen wenigen, nur ein kleiner Teil des [menschlichen] Wesens – “nicht größer an Körpermasse als der Daumen eines Menschen”, welches das Gleichnis war, das von den alten Sehern gebraucht wurde –, und es ist nicht in der Lage, sich gegen die Dunkelheit und unwissende Kleinheit des physischen Bewusstseins durchzusetzen, gegen die falsche Sicherheit des Mentals oder die Arroganz und Heftigkeit der vitalen Natur.

Diese Seele muss das menschlich-mentale, gefühlsbetonte und sinnliche Leben akzeptieren, so wie es ist, seine Voraussetzungen und Aktivitäten, seine bewahrten Formen und Erscheinungen; sie muss sich hart mühen, das göttliche Element in all dieser relativen Wahrheit, die mit fortwährendem, verfälschendem Irren vermischt ist, zu befreien und zu mehren, diese Liebe, preisgegeben der Benutzung durch den Vital und Körper, dieses Leben eines durchschnittlichen Menschentums, das nur selten mit der seltenen und fahlen Erkenntnis der Seele durchwirkt ist.

Die innere Führung

Obgleich unbeirrt in ihrem eigentlichen Willen, muss sie oft unter dem Druck ihrer Instrumente (dem Mental, Vital und dem Physischen) fehlerhaftem Tun nachgeben, falscher Anwendung der Gefühle, falscher Wahl der Person, dem Irren in der genauen Formulierung ihres Willens, in der Art, ihr unfehlbares, inneres Ideal auszudrücken.

Dennoch besteht eine Ahnung im Inneren, so dass sie ein verlässlicherer Führer als der Verstand ist, oder auch als das höchste Verlangen, und selbst durch offensichtliches Irren und Fehlen vermag ihre Stimme immer noch besser zu leiten, als der präzise Intellekt und das erwägende, mentale Urteil. Diese Stimme der Seele ist nicht das, was wir Bewusstsein nennen –, denn das ist nur ein mentaler und oft konventioneller, irrender Ersatz; es ist ein tieferer und seltener gehörter Ruf; dennoch, wenn er gehört wird, ist es das weiseste, ihm zu folgen; es ist sogar besser, dem Ruf seiner Seele folgend umherzuirren, als mit dem Verstand und dem äußeren moralischen Ratgeber scheinbar geradeaus zu gehen.

Die wahre Seele, verborgen in uns – subliminal haben wir gesagt, doch ist das Wort irreführend, denn diese Gegenwart befindet sich nicht unter der Schwelle des Wach-Mentals, sondern brennt vielmehr im innersten Herzens hinter dem dichten Schirm eines unwissenden Mentals, Lebens und Körpers, nicht subliminal, sondern hinter dem Schleier – diese verhüllte, seelische Wesenheit ist die Flamme des „Göttlichen“ die immer in uns brennt, nicht zu löschen, nicht einmal durch jene dichte Unbewusstheit des Lebens, das durch unsere äußere Natur verdunkelt ist.

Sie ist eine Flamme, der verborgene Zeuge, die verborgene Kontrolle, der heimliche Führer, der Daimonion des Sokrates, das innere Licht oder die innere Stimme des Mystikers.

Daimonion von Sokrates
Als Daimonion (altgriechisch δαιμόνιον daimónion, lateinisch genius) wird in der antiken Literatur eine innere Stimme bezeichnet, die der Überlieferung zufolge dem Philosophen Sokrates warnende Zeichen gab, um ihn von Fehlentscheidungen abzuhalten. Sokrates hielt den Urheber dieser Zeichen für eine Gottheit, die er nicht näher bestimmte. Er folgte den stets ohne Begründung gegebenen Winken der Stimme, die sich nach seinen Angaben immer als sinnvoll und hilfreich erwiesen.

Diese innerste Wesenheit also nimmt in uns als die seelische Person Gestalt an, stellt eine seelische Persönlichkeit heraus. Das seelische Wesen kann zunächst nur eine verborgene, teilweise und indirekte Tätigkeit durch Mental, Leben und Körper ausüben, da diese Teile der [menschlichen] Natur als ihre Instrumente des Selbstausdrucks entwickelt werden müssen, und lange ist sie durch deren Evolution begrenzt. Gesandt, um den Menschen in der Unwissenheit zum Licht des Bewusstseins zu führen, formt sie aus der Essenz all der Erfahrung in der Unwissenheit einen Kern des Seelenwachstums in der Natur; das Übrige wandelt sie in Stoff für künftiges Wachstum der Instrumente [Mental, Vital, Körper].

Es ist diese geheime, seelische Wesenheit, die das wahre, ursprüngliche Bewusstsein in uns ist, tiefer als das konstruierte und konventionelle Bewusstsein des Moralisten, denn sie ist es, die immer auf Wahrheit und Recht und Schönheit hinweist, auf Liebe und Harmonie und alles, was eine göttliche Möglichkeit in uns verkörpert, und sie harrt aus, bis diese Dinge das wesentliche Erfordernis unserer Natur werden. Es ist die seelische Persönlichkeit in uns, die als der Heilige, der Weise, der Seher blüht; wenn sie ihre volle Stärke erreicht hat, wendet sie das Wesen zur Erkenntnis des Selbstes, zur höchsten Wahrheit, dem höchsten Guten, der höchsten Schönheit, Liebe und Seligkeit, den göttlichen Höhen und Weiten.

Wo andrerseits die seelische Persönlichkeit schwach ist, roh oder schlecht entwickelt, fehlen die subtileren Regungen in uns, oder sind arm an Charakter und Kraft, selbst wenn das Mental stark und brillant und gebieterisch ist, die Lebenskraft dominierend und erfolgreich, das körperliche Dasein reich und glücklich und ein offensichtlicher Herr und Sieger. Es ist dann die äußere Begierdenseele, die pseudo-seelische Wesenheit, die herrscht, und wir verwechseln ihre falschen Deutungen der seelischen Eingebung und Aspiration, ihre Ideen und Ideale, ihre Begierden und Sehnsüchte mit dem wahren Seelenstoff und Reichtum spiritueller Erfahrung.

Es beharrt auf Wahrheit, auf Willen und Stärke und Meisterung, auf Freude und Liebe und Schönheit, doch auf einer Wahrheit des bleibenden Wissens, welches die bloß praktische, momentane Wahrheit der Unwissenheit übersteigt, auf einer inneren Freude, und nicht auf bloß vitalem Vergnügen, – denn es zieht eher ein läuterndes Leiden und läuternden Kummer den herabsetzenden Befriedigungen vor – es besteht auf Liebe, die sich himmelwärts schwingt, und nicht an den Pfahl egoistischen Verlangens gefesselt ist oder mit ihren Füßen im Morast steckt, auf einer Schönheit, der die priesterliche Würde, das Ewige zu deuten, zurückerstattet wurde, auf Stärke und Willen und Meisterung, nicht als Instrumente des Egos, sondern des Seelen-Ichs.

~ Sri Aurobindo – The Synthesis of Yoga: Parts One and Two

Die seelische Liebe

Es ist ein Fehler zu glauben, dass allein das Vital Wärme besitzen würde und die Seele etwas Kaltes sei und ohne Feuer. Ein klares, reines Wohlwollen ist wünschenswert. Das aber ist nicht mit seelischer Liebe gemeint. Liebe ist Liebe, und nicht nur Wohlwollen.

Die seelische Liebe kann eine Wärme und ein Feuer haben, die ebenso intensiv wie die des Vitals ist, ja intensiver, nur, dass es ein reines Feuer ist und nicht abhängig von der Befriedigung des Egoverlangens oder davon, das Öl, von dem es genährt wird, aufzuzehren. Es ist eine weiße Flamme und keine rote, doch ist die weiße Hitze in ihrer Glut der roten nicht unterlegen. Es stimmt, meist kommt die seelische Liebe in der menschlichen Beziehung und Natur nicht voll zum Zug.

Sie findet die Fülle ihres Feuers und ihrer Ekstase leichter, wenn sie sich zum „Göttlichen“ erhebt. In der menschlichen Beziehung wird die seelische Liebe mit anderen Elementen vermischt, die sie sofort zu benützen oder zu überschatten suchen. Nur in seltenen Augenblicken erhält sie ein Ventil für ihre volle Intensität. Meist tritt sie nur als Element in Erscheinung, doch selbst dann steuert sie zu einer im Grunde vitalen Liebe alle höheren Dinge bei – die reine Süße, die Zärtlichkeit und Treue, das Selbstgeben, die Selbstaufgabe, das Ergriffenwerden zweier Seelen, die idealisierenden Vergeistigungen, welche die menschlichen Liebe über sich selbst hinausheben – all dies hat seinen Ursprung in der Seele.

Wenn sie fähig wäre, die übrigen Elemente menschlicher Liebe – die mentalen, vitalen und physischen – zu beherrschen, zu lenken und umzuformen, könnte die Liebe auf Erden eine Widerspiegelung oder eine Vorbereitung der wahren Sache sein, eine umfassende Einung der Seele mit ihren Instrumenten. Doch selbst in unvollständiger Form kommt das nur selten vor.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part Two

Wissen – mental und seelisch

Das innere mentale Wesen bewacht, beobachtet und beurteilt alles, was in dir geschieht. Die Seele bewacht und beobachtet nicht auf diese Weise, so wie ein Zeuge, sondern fühlt und erkennt spontan auf eine viel direktere und lichtvollere Art, eben durch die Reinheit ihrer Natur und des ihr innewohnenden „göttlichen“ Instinktes; daher enthüllt sie sofort, wann immer sie hervortritt, die rechten und falschen Regungen in deiner Natur.

Mitteilungen der Seele kommen nicht in mentaler Form. Es sind keine Ideen oder Folgerungen. Sie haben ihren eigenen Charakter, der sich von dem des Mentals deutlich unterscheidet, etwas wie ein Gefühl, das sich begreift und handelt.

Ihrer eigentlichen Natur nach ist die Seele ruhig und still und leuchtend, verstehend und großzügig, weit und fortschrittlich. Sie bemüht sich ständig um Verstehen und Fortschritt. Das Mental beschreibt und erklärt. Die Seele sieht und versteht.

~ Die Mutter – Some Answers of the Mother

Man mag seelisches Wissen besitzen – es ist aber von anderer Art und ist nicht wie im Mental formuliert. Es ist eine Art innerer Sicherheit, die dich im rechten Augenblick das Rechte auf die rechte Weise tun lässt, ohne notwendigerweise den Verstand oder die mentale Formulierung zu benützen.

Zum Beispiel kann man mit vollem Wissen dessen handeln, was getan werden sollte, ohne die Einmischung – die geringste Einmischung – des folgernden Verstandes. Das Mental ist still: es betrachtet lediglich und hört, um die Dinge zu registrieren, es tritt nicht in Aktion.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1953

Die Wahrnehmung des äußeren Bewusstseins kann das, was die Seele wahrnimmt, leugnen. Die Seele aber hat das wahre Wissen, ein intuitives, instinktives Wissen. Sie sagt: “Ich weiß, ich kann es zwar nicht begründen, aber ich weiß.” Denn ihr Wissen ist nicht mental, auf Erfahrung beruhend oder als richtig erwiesen. Ihr Glaube beruht nicht auf Beweisen: Glaube ist die Bewegung der Seele, deren Wissen spontan und direkt ist. Selbst wenn es die ganze Welt abstreitet und tausend Beweise des Gegenteils erbringt, weiß sie dennoch mit Hilfe eines inneren Wissens, einer direkten Wahrnehmung, die allem standhält, einer Wahrnehmung durch Identität. Das Wissen der Seele ist etwas Konkretes, Berührbares, eine solide Masse.

Du kannst es auch deinem Mental, deinem Vital und deinem Physischen vermitteln; und dann hast du einen integralen Glauben, einen Glauben, der tatsächlich Berge versetzt. Aber nichts im Wesen darf kommen und sagen: “Es ist nicht so”, oder nach einem Beweis fragen. Der geringste Halb-Glaube verdirbt die Dinge. Wie kann sich der Höchste manifestieren, wenn der Glaube nicht umfassend und unerschütterlich ist? Glaube als solcher ist immer unerschütterlich – das ist seine eigentliche Natur, denn andernfalls ist es kein Glaube. Es kann aber geschehen, dass das Mental oder Vital oder das Physische der seelischen Bewegung nicht folgen.

Ein Mensch kann zu einem Yogi kommen und plötzlich den Glauben haben, dass dieser ihn zu seinem Ziele führen wird. Er weiß nicht, ob er Wissen hat oder nicht. Er fühlt einen seelischen Schock und weiß, dass er seinem Meister begegnet ist. Sein Glaube beruht nicht auf langen, mentalen Überlegungen oder darauf, dass er viele Wunder gesehen hat. Und das ist die einzige Art von Glauben, die Wert hat. Du wirst immer deine Bestimmung verfehlen, wenn du zu argumentieren beginnst. Es gibt Menschen, die setzen sich hin und überlegen, ob der seelische Impuls vernünftig ist oder nicht.

Der sogenannte blinde Glaube ist tatsächlich nicht das, was die Menschen in die Irre führt. Oft hört man: “Oh, ich habe an diesen oder jenen Mann geglaubt und er hat mich betrogen!” Doch tatsächlich ist nicht der Mensch schuld, sondern der Gläubige; es ist eine Schwäche in ihm selbst. Hätte er seinen Glauben bewahrt, würde er den Menschen geändert haben; da er aber nicht in dem gleichen Glaubensbewusstsein verharrte, fand er sich selbst betrogen, und ließ den Mann nicht das sein, was er sein wollte. Wenn er einen umfassenden Glauben gehabt hätte, hätte er ihn dazu gebracht, sich zu ändern. Allein der Glaube ist es, der Wunder geschehen lässt.

Ein Mensch geht zu einem anderen Menschen und hat einen Kontakt mit der Göttlichen Gegenwart; wenn er diesen Kontakt rein und anhaltend bewahren kann, wird hierdurch das Göttliche Bewusstsein dazu gebracht, sich im Materiellsten zu manifestieren. Doch hängt alles von deinem eigenen Niveau und deiner eigenen Aufrichtigkeit ab; und je mehr du seelisch bereit bist, desto eher wirst du zur rechten Quelle geführt werden, zum rechten Meister.

Die Seele und ihr Glaube sind immer wahrhaft; wenn aber in deinem äußeren Wesen eine Unaufrichtigkeit besteht, und wenn du nicht das spirituelle Leben, sondern persönliche Macht suchst, kann dich das in die Irre führen. Dies, und nicht dein Glaube, lässt dich irren. Der Glaube als solcher ist rein, er kann aber im [menschlichen] Wesen mit niederen Bewegungen vermischt werden, und das führt dich in die Irre.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1921 – 1931

Das seelische Feuer das im tiefsten Herzen brennt

letters on poetry and art

Agni pavaka ist das seelische Feuer das im tiefsten Herzen brennt, und von dort im Mental, im Vital und im physischen Körper entfacht wird – Im Mental schafft Agni ein Licht intuitiver Wahrnehmung und Unterscheidung, das sofort sieht, was die wahre Vision oder Idee, und was die falsche Vision oder Idee ist, das wahre Gefühl und das falsche Gefühl, die wahre Regung und die falsche Regung.

Im Vital wird es [das seelische Feuer] als ein Feuer des richtigen Gefühls entfacht, einer Art intuitivem Gefühl, einer Art Feingefühl, sich dem rechten Impuls zuzuwenden, dem rechten Tun, dem rechten Erspüren der Dinge, der rechten Reaktion auf die Dinge. Im Körper ruft es eine ähnliche, doch noch automatischere, richtige Erwiderung auf die Dinge des physischen Lebens, Fühlens und der Körpererfahrung hervor. Meist ist es das seelische Licht im Mental, das von den Dreien zuerst entzündet wird, doch nicht immer –, denn manchmal ist es die seelisch-vitale Flamme, die den Vorrang einnimmt.

Auch im gewöhnlichen Leben wirkt zweifellos eine Seelentätigkeit – ohne sie wäre der Mensch nur ein denkendes und planendes Tier. Doch ist sie sehr verhüllt und bedarf stets des Mentals oder Vitals für ihren Ausdruck, sie ist meist vermischt und nicht dominierend, und daher nicht unfehlbar; sie tut oft das Rechte auf die falsche Weise, wird vom richtigen Gefühl bewegt, doch irrt hinsichtlich der Anwendung, der Person, des Ortes und des Umstands.

Die Seele, außer in wenigen außergewöhnlichen Naturen, erhält nicht ihre volle Gelegenheit im äußeren Bewusstsein; sie bedarf einer Art Yoga oder Sadhana, um zur Geltung zu kommen, und in dem Maß wie sie mehr und mehr im Vordergrund tritt, befreit sie sich von dem Gemisch. Das bedeutet, dass ihre Gegenwart direkt gefühlt wird, und nicht allein im Hintergrund oder als Stütze, sondern das frontale Bewusstsein ausfüllend, und nicht länger abhängig von ihren Instrumenten, Mental, Vital und Körper, oder durch sie beherrscht, sondern sie dominierend und ins Lichtvolle formend und sie ihre wahre Tätigkeit lehrend.

~ Sri Aurobindo – Letters on Poetry and Art: Psychic and Esoteric Poetry

Seelisches Wachsen und seelische Entwicklung

Es ist die Seele in uns, die sich immer der Wahrheit zuwendet, dem Guten und dem Schönen, denn durch diese Dinge wächst sie selbst an Statur; das Übrige, ihre Gegensätze, sind ein notwendiger Teil der Erfahrung, aus dem man aber in der Mehrung des Wesens herauswachsen muss.

Die zugrundeliegende seelische Wesenheit in uns hat Anteil an der Freude des Lebens und aller Erfahrung, welche die fortschreitende Offenbarung des Spirits ausdrücken, doch die eigentliche Grundlage ihrer Lebensfreude besteht darin, aus allen Kontakten und Geschehnissen deren geheimen Sinn und Kern, einen göttlichen Nutzen und Zweck zu sammeln, sodass unser Mental und Leben aus der Unbewusstheit einem höchsten Bewusstsein, aus den Trennungen der Unwissenheit einem umfassenden Bewusstsein und Wissen entgegenwachsen mögen.

Ananda (Sanskrit: आनन्द ānanda m.) vollkommene und höchste Glückseligkeit, Wonne, wahre und dauerhafte Freude, unbeeinträchtigte und absolute Seligkeit, die aus sich selbst existiert und nicht durch äußere Dinge bedingt ist.

Hierfür existiert sie [die seelische Wesenheit] und verfolgt ihre stets wachsende Tendenz und Beharrlichkeit; das Wachstum der Seele ist ein Wachsen aus der Dunkelheit ins Licht, aus der Falschheit in die Wahrheit, aus dem Leiden in ihren eigenen höchsten und universalen Ananda.

Das Auftauchen des seelischen Wesens oder die Verwirklichung des höheren Selbst wird immer von dem Gefühl begleitet, wie aus einem Kerker befreit zu sein. Deshalb bezeichnet man es als Befreiung, mukti. Es ist eine Befreiung in den Frieden, in das Glück, in die Freiheit der Seele, die nicht durch tausend Bande und Sorgen des äußeren unwissenden Daseins gefesselt ist.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part Three

Die Wahl der Seele und die Bedingungen der Wiedergeburt

Die Wahl des seelischen Wesens zur Zeit des Todes arbeitet die nächste Gestaltung der Persönlichkeit nicht aus, sondern fixiert sie. Sobald es in die seelische Welt eintritt, beginnt es die Essenz seiner Erfahrungen zu assimilieren, und mit Hilfe dieser Assimilierung wird dann die künftige seelische Persönlichkeit in Übereinstimmung mit der bereits vollzogenen Fixierung geformt. Wenn dieser Vorgang beendet ist, ist das seelische Wesen für eine neue Geburt bereit; weniger entwickelte [seelische] Wesen arbeiten die ganze Sache nicht für sich selbst aus, sondern diese Arbeit fällt den Wesen und Kräften der höheren Welt zu.

Es ist aber nicht gesagt, dass die Kräfte der physischen Welt, sobald es zur Geburt kommt, die Ausarbeitung des Geplanten nicht durchkreuzen, da möglicherweise die neue Instrumentierung [des seelischen Wesens] nicht stark genug ist – hier [auf Erden] besteht die Wechselwirkung von eigenen Energien und kosmischen Kräften. Vereitelung, Ablenkung, ein nur teilweises Ausarbeiten sind möglich – viele Dinge können geschehen. All dies ist kein starrer Mechanismus, sondern ein Verarbeiten von komplizierten Kräften. Es muss jedoch hinzugefügt werden, dass ein entwickeltes, seelisches Wesen in diesem Übergang viel bewusster ist und viel selbst ausarbeitet.

Auch die Zeitdauer hängt von der Entwicklungsstufe und einem gewissen Rhythmus des Wesens ab – bei einigen findet praktisch unmittelbar darauf eine Wiedergeburt statt, andere brauchen länger, bei manchen kann es Jahrhunderte dauern; doch auch hier gilt, dass das seelische Wesen, wenn es einmal genügend entwickelt ist, seinen eigenen Rhythmus und seine Ruhepausen zu bestimmen vermag.

Die üblichen Theorien sind zu mechanisch, ebenso wie die Vorstellung von punya [die angesammelten positiven Handlungen] und papa [die angesammelten negativen Handlungen] mit ihren jeweiligen Ereignissen im nächsten Leben. Die Energien eines vergangenen Lebens zeitigen zwar mit Sicherheit Folgen, doch nicht auf der Grundlage dieses ziemlich kindischen Prinzips.

Eines guten Menschen Leiden wären der orthodoxen Theorie zufolge der Beweis, dass er ein großer Schurke in einem vergangenen Leben war, und eines schlechten Menschen Gedeihen wäre der Beweis, dass er ziemlich engelhaft bei seinem letzten Erdenbesuch gewesen sein muss, und eine große Saat von Tugenden und verdienstvollen Taten säte, um diese Rekordernte von Glück zu erzielen.

Zu symmetrisch, um wahr zu sein! Das Ziel des Geborenwerdens ist Wachstum durch Erfahrung, und die Rückwirkungen vergangener Taten finden nur deshalb statt, damit das Wesen lerne und wachse, sie sind nicht als Lutschbonbons für die braven, oder als eine Tracht Prügel für die bösen Kinder der Klasse in der Vergangenheit gedacht.

Die tatsächliche Billigung für Gut und Böse ist nicht Glück für den einen und Unglück für den anderen, sondern dass uns das Gute einer höheren Natur entgegenführe, die letztlich über das Leiden erhaben ist, und das Schlechte uns zur niederen Natur hinabzieht, die sich immer im Kreise des Leidens und Bösen bewegt.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part One

Mehr über das seelische Wesen

Die Entspannung und der Friede werden sehr tief und weit innen gefühlt, denn sie sind in der Seele, und die Seele ist sehr tief in uns, und verdeckt vom Mental und Vital. Wenn du meditierst, öffnest Du dich der Seele, gewahrst das Seelenbewusstsein tief innen und fühlst diese Dinge. Damit diese Entspannung, dieser Friede und dieses Glück stark und beständig und im ganzen Wesen und Körper empfunden werden, musst du noch tiefer nach innen gehen und die volle Kraft der Seele in das Physische bringen.

Dies geschieht am leichtesten durch regelmäßige Konzentration und Meditation, verbunden mit dem Streben nach diesem Bewusstsein. Es kann ebenfalls durch Arbeit geschehen, durch Hingebung, indem man die Arbeit allein für das Göttliche tut, ohne an sich zu denken, und immer die Vorstellung im Herzen bewahrt, dass man sich der Mutter weiht. Dies auf vollkommene Weise zu tun, ist jedoch nicht einfach.

~ Sri Aurobindo – Letters on Yoga: Part Two

Seelische Ausgeglichenheit bedeutet die Ausgeglichenheit des Wesens, die von der Tatsache herrührt, dass die Seele die Bewegungen des Wesens lenkt, Herr aller Bewusstseinsregungen ist. Die Seele ist immer ausgeglichen. Wenn sie aktiv ist und das Wesen lenkt, bringt sie unweigerlich Ausgeglichenheit.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1954

Es gibt viele verschiedene Gründe dafür, dass man sich manchmal mehr voller Leben fühlt, mehr voller Kraft und Freude… Im gewöhnlichen Leben gibt es Menschen, die aufgrund ihrer eigentlichen Konstitution, der Art und Weise wie sie gemacht sind, sich in einer gewissen Harmonie mit der Natur befinden, so als würden sie im gleichen Rhythmus atmen; und diese Menschen sind im allgemeinen immer fröhlich und glücklich; sie haben in allem, was sie tun, Erfolg, sie meiden viele Sorgen und Katastrophen, sie sind tatsächlich im Harmonie mit dem Rhythmus des Lebens und der Natur.

Und außerdem gibt es Tage, da man in Kontakt mit dem wirkenden göttlichen Bewusstsein ist, mit der Gnade, und dann hat alles den Anflug dieser Gegenwart, und ist von ihr getönt; selbst Dinge, die dir meist langweilig und uninteressant erscheinen, werden charmant, angenehm, lehrreich, alles lebt und vibriert und ist voller Versprechen und Kraft. Wenn man sich daher dem öffnet, fühlt man sich stärker, freier, glücklicher, voller Energie, und alles hat eine Bedeutung. Man versteht, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und nimmt an der allgemeinen Bewegung teil.

Es gibt andere Zeiten, wenn man aus dem einen oder anderen Grund wie umwölkt ist oder verschlossen oder tief in einem Loch, und man empfindet nichts mehr und alle Dinge sind ohne Geschmack, Interesse und Wert; man ist ein wandelnder Holzklotz.

Wenn man nun fähig ist, sich bewusst mit seinem seelischen Wesen zu einen, kann man immer in diesem Zustand der Empfangsbereitschaft sein, der inneren Freude, der Energie, des Fortschritts, der Einung mit der Göttlichen Gegenwart. Und wenn man damit geeint ist, sieht man sie überall, in allem, und alle Dinge erhalten ihre wahre Bedeutung. Wovon hängt das ab?… Von einem inneren Rhythmus. Vielleicht einer Gnade. In jedem Fall von einer Empfangsbereitschaft für etwas, das jenseits deiner ist.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1956

Mutter Spileplatz 1954
Die Mutter nimmt am Unterricht auf dem Spielplatz teil, 1954

Wahrlich, der Ausdruck eines echten seelischen Lebens im Wesen ist Friede, eine freudige Heiterkeit. Alles Leiden ist daher ein wertvoller Hinweis auf unseren schwachen Punkt, jenes Punktes, der eine größere spirituelle Bemühung von uns verlangt.

~ Die Mutter – Words of Long Ago

Wahres Glück hängt nicht von den äußeren Umständen des Lebens ab. Wahres Glück kann man nur erlangen und fortwährend bewahren, indem man sein seelisches Wesen entdeckt und sich damit eint.

~ Die Mutter – Some Answers of the Mother

Ich glaube, je seelischer man ist, desto mehr Schwierigkeiten hat man im Allgemeinen. Nur, dass man gerüstet ist, den Schwierigkeiten entgegenzutreten. Doch je seelischer man ist, desto mehr steht man in Widerspruch mit dem gegenwärtigen Zustand der Welt. Und wenn man sich mit etwas in Widerspruch befindet, resultiert das in Schwierigkeiten. Und ich habe bemerkt, dass sehr häufig diejenigen, die viele Schwierigkeiten haben, jene sind, die einen mehr oder weniger engen Kontakt mit ihrem seelischen Wesen haben.

Wenn du über Umstände sprechen willst – ich meine nicht den Charakter, das ist etwas ganz anderes, sondern die äußeren Umstände – die Menschen, die am meisten zu kämpfen haben, und den meisten Grund hätten zu leiden, sind jene, die ein sehr entwickeltes seelisches Wesen haben.

Die Entwicklung des seelischen Wesens hat ein zweifaches und gleichzeitiges Ergebnis. Das heißt, mit der Entwicklung des seelischen Wesens wächst die Empfindsamkeit des Menschen. Und mit dem Anwachsen der Empfindsamkeit geht die Fähigkeit zu leiden einher; aber es besteht ein Ausgleich, das heißt, in dem Maß wie man in Beziehung mit dem seelischen Wesen steht, begegnet man den Umständen des Lebens in ganz anderer Art und Weise, mit einer Art inneren Freiheit, die es einem ermöglicht, sich von einer Situation zurückzuziehen und den Schock nicht in der üblichen Weise zu empfinden.

Du vermagst den Schwierigkeiten oder den äußeren Dingen mit Ruhe, Frieden und einem hinreichend inneren Wissen zu begegnen, und wirst nicht beunruhigt. Also auf der einen Seite bist du empfindsamer, auf der anderen hast du größere Kraft mit der Empfindsamkeit fertig zu werden.

~ Die Muter – Questions and Answers 1955

Es ist nicht das seelische Wesen, das aus persönlichen Gründen leidet, sondern das Mental, das Vital und das gewöhnliche Bewusstsein des unwissenden Menschen. Und zwar weil der Kontakt zwischen dem äußeren Bewusstsein und dem seelischen Bewusstsein kein gefestigter ist. Derjenige, in welchem der Kontakt gut fundiert ist, ist immer glücklich.

Das seelische Wesen arbeitet mit Beharrlichkeit und Inbrunst, um die zu bewerkstelligende Einung zu einer vollendeten Tatsache zu machen, doch beklagt es sich niemals, und weiß auf die Stunde der Verwirklichung zu warten.

~ Die Mutter – Words of the Mother 1

Das reine seelische Wesen besteht aus der Essenz des Ananda, es stammt von der Seligkeitsseele im Universum; das oberflächliche Herz der Emotionen aber wird durch die widerstreitenden Erscheinungen der Welt niedergedrückt, und erduldet viele Reaktionen von Leid, Furcht, Niedergeschlagenheit und Leidenschaft, sowie von kurzlebiger und teilweiser Freude.

~ Sri Aurobindo – The Synthesis of Yoga: Parts Three and Four

sri aurobindo

Du kannst deine Möglichkeiten vervielfältigen, vergrößern und mehren; du kannst plötzlich etwas hervorbringen, von dem du nicht wusstest, dass es in dir ist… Wenn man sein seelisches Wesen entdeckt, entwickeln und offenbaren sich gleichzeitig ganz unerwartete Dinge, die man vorher keinesfalls tun konnte, und von denen man nicht annahm, dass sie in der eigenen Natur liegen würden. Auch hiervon weiß ich zahlreiche Beispiele…

Ich kannte ein junges Mädchen, die in einem sehr durchschnittlichen Milieu geboren wurde, nicht viel Erziehung genossen hatte, sich in einem recht schwerfälligen Französisch ausdrückte, und ihre Vorstellungskraft nicht entwickelt hatte und überhaupt keinen literarischen Sinn besaß: solcherart waren unter anderem die Möglichkeiten, die sie nicht hatte. Nun, dann hatte sie die innere Erfahrung des Fühlens ihres seelischen Wesens, und solange dieses lebendig und sehr gegenwärtig war, schrieb sie bewundernswerte Dinge.

Wenn sie von diesem [Bewusstseins-] Zustand in ihren gewöhnlichen zurückverfiel, konnte sie keine zwei Sätze richtig zusammenbringen! Und ich sah Beispiele von beiden Arten ihrer Schriftstellerei. Es ist ein Genius in jedem von uns – wir wissen es nur nicht. Wir müssen den Weg finden, damit er hervortritt, er ist da und schläft, er bittet um nichts anderes, als sich offenbaren zu dürfen; wir müssen ihm die Tür öffnen.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1956

Ich bin auch gefragt worden, ob das seelische Wesen oder das seelische Bewusstsein dasjenige Medium sei, durch welches die Inspiration wahrgenommen werde. Im Allgemeinen, ja. Der erste Kontakt, den du mit höheren Regionen hast, ist ein seelischer. Sicherlich ist es schwierig, diese Inspirationen zu haben, bevor ein inneres seelisches Öffnen erreicht wird. Es kann ausnahmsweise und unter außergewöhnlichen Bedingungen als Gnade geschehen, doch der wahre Kontakt kommt durch die Seele – weil das seelische Bewusstsein ganz bestimmt das Medium mit der größten Affinität zur göttlichen Wahrheit ist.

Später, wenn man aus dem mentalen Bewusstsein in ein höheres Bewusstsein jenseits des Mentals aufgetaucht ist, selbst jenseits des höheren Mentals, und wenn man sich den Regionen des Obermentals öffnet, und durch das Obermental dem Supramental, kann man die Inspirationen direkt empfangen. Und dort natürlich werden sie häufiger, reicher, wenn man es so ausdrücken will, vollständiger. Es kommt dann eine Zeit, in der Inspiration nach Wunsch erlangt werden kann, das aber erfordert natürlich eine beträchtliche innere Entwicklung.

~ Die Mutter – On Thoughts and Aphorisms

Jeder von euch sollte in der Lage sein, in Kontakt mit seinem eigenen seelischen Wesen in Kontakt zu treten, es ist keine unzugängliche Sache. Dein seelisches Wesen ist genau dazu da, um dich mit den göttlichen Kräften in Kontakt zu bringen. Und wenn du in Kontakt mit deinem seelischen Wesen bist, beginnst du zu fühlen, eine Art Wahrnehmung dessen zu haben, was göttliche Liebe sein kann. Wie ich gerade gesagt habe, ist es nicht genug, dass du eines Morgens aufwachst und sagst: “Oh, ich wäre gerne in Kontakt mit der göttlichen Liebe”, so ist es nicht.

Wenn es euch gelingt, durch eine anhaltende Anstrengung, eine tiefe Konzentration, eine große Selbstvergessenheit mit eurem seelischen Wesen in Berührung zu kommen, werdet ihr nicht im Traum daran denken: „Oh! Ich möchte mit der göttlichen Liebe in Berührung sein“ – ihr befindet euch in einem Zustand, in dem euch alles als diese göttliche Liebe erscheint und nichts anderes. Und dennoch ist es nur eine Umkleidung, aber eine Umkleidung von schöner Beschaffenheit.

Also, die göttliche Liebe braucht nicht für sich und getrennt vom seelischen Wesen gesucht und erkannt werden?

Nein, finde dein seelisches Wesen und du wirst verstehen, was göttliche Liebe ist. Versuche nicht in direkten Kontakt mit der göttlichen Liebe zu kommen, denn dies wird wiederum ein vitales Begehren sein, das dich treibt; du wirst dir dessen vielleicht nicht bewusst sein, aber es wird ein vitales Begehren sein. Du musst dich bemühen, mit deinem seelischen Wesen in Kontakt zu kommen, bewusst und frei im Bewusstsein deines seelischen Wesens zu werden, und dann, ganz natürlich, spontan, wirst du wissen, was göttliche Liebe ist.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1950-51

mutter mit schuelern
Die Mutter (links) mit Schülern

Auf der physischen Ebene drückt sich das Göttliche durch Schönheit aus, auf der mentalen Ebene durch Wissen, auf der vitalen Ebene durch Macht und auf der seelischen Ebene durch Liebe. Wenn wir uns hoch genug erheben, entdecken wir, dass diese vier Aspekte sich miteinander in einem einzigen Bewusstsein vereinen, voller Liebe, leuchtend, mächtig, schön, alles enthaltend, alles durchdringend. Allein, um dem universalen Spiel Genüge zu tun, teilt sich dieses Bewusstsein in verschiedene Bereiche oder Aspekte der Manifestation auf.

~ Die Mutter – Words of the Mother 3

Wie oft haben wir das wiederholt: alles, was vom Mental stammt, ist gänzlich relativ. Je gebildeter das Mental ist und sich verschiedenen Disziplinen unterworfen hat, desto fähiger wird es, zu beweisen, dass das, was es vorbringt oder was es sagt, richtig sei. Man kann die Richtigkeit von allem und jedem durch Argumentation beweisen, doch dadurch wird es nicht wahr. Es bleibt eine Meinung, ein Vorurteil, ein Wissen, das auf Erscheinungen beruht, die als solche mehr als zweifelhaft sind.

Es scheint also nur einen Ausweg zu geben, und der ist, seine Seele zu suchen und zu finden. Sie ist da, sie will sich nicht verstecken, sie spricht nicht mit dir, um die Dinge zu komplizieren; im Gegenteil, sie gibt sich große Mühe, dir dabei zu helfen, gefunden und gehört zu werden. Doch zwischen deiner Seele und deinem aktiven Bewusstsein, gibt es zwei Wesen, die eine Menge Lärm schlagen, das Mental und das Vital. Und weil sie viel Lärm machen, während die Seele das nicht tut – oder vielmehr so wenig wie möglich tut –, hindert ihr Lärmen dich daran, die Stimme der Seele zu hören.

Nun, offensichtlich ist meist das, was die Menschen “Seele” nennen – es sei denn, sie sind eingeweiht – die vitale Aktivität. Wenn jemand ein starkes, aktives, widerspenstiges Vital hat, das die Tätigkeiten des Körpers lenkt, das einen sehr lebendigen oder intensiven Kontakt mit Menschen und Dingen und Ereignissen hat, wenn es einen ausgeprägten Sinn für Kunst hat, für alles, was Schönheit ausdrückt, sind wir im allgemeinen versucht zu sagen: “Oh, er hat eine lebendige Seele”; es ist aber nicht seine Seele, es ist sein vitales Wesen, das lebendig ist, und die Tätigkeiten des Körpers dominiert. Das ist der erste Unterschied zwischen jemanden, der sich zu entwickeln beginnt und jenen, die noch in der Trägheit, dem tamas des rein stofflichen Lebens befangen sind.

Es verleiht sowohl der Erscheinung als auch der Tätigkeit eine Art Schwingung, eine intensive Schwingung, die oft den Eindruck entstehen lässt, dass diese Person eine lebendige Seele hat; es stimmt aber nicht, es ist ihr Vital, das entwickelt ist, das eine spezielle Fähigkeit besitzt, und stärker als die physische Trägheit ist, und eine Schwingung, ein Leben und eine Aktivität von großer Intensität verleiht, welche jene, deren vitales Wesen nicht entwickelt ist, nicht besitzen. Diese Verwechslung zwischen vitaler Aktivität und der Seele ist eine sehr häufige… Die vitale Schwingung ist viel eher wahrnehmbar für das menschliche Bewusstsein als die Schwingung der Seele.

Um die Seele in jemanden wahrzunehmen, muss das Mental in der Regel sehr ruhig sein – sehr ruhig, denn wenn es aktiv ist, werden seine Schwingungen gesehen, nicht die der Seele.

Und dann, wenn du jemanden betrachtest, der sich seiner Seele bewusst ist und in seiner Seele lebt – wenn du ihn betrachtest, hast du den Eindruck, in die Person hinabzusteigen, tief, tief, tief in sie einzutreten, weit, weit, weit, weit nach innen; während meist, wenn du in die Augen von jemanden schaust, du sehr bald auf eine Fläche stößt, die vibriert und deinen Blick erwidert, aber du hast nicht das Gefühl, hinabzusteigen, nach unten, tief wie in ein Loch, und sehr weit, sehr, sehr, sehr weit nach innen, …und dann hast du… eine kleine, sehr ruhige Reaktion.

Ansonsten trittst du normalerweise ein – es gibt Augen, in die du nicht eintreten kannst, sie sind geschlossen wie eine Tür. Und dennoch gibt es Augen, die offen sind – du trittst ein und dann, ziemlich nah dahinter, erreichst du etwas, das pulsiert, manchmal leuchtend, vibrierend. Und dann, das ist es; wenn du dich irrst, sagst du: “Oh, er hat eine lebendige Seele“ – es stimmt nicht, es ist sein Vital.

Um die Seele zu finden, musst du es so machen (Geste des Tief-nach-Innen Gehens), zieh dich zurück von der Oberfläche, zieh dich tief nach innen zurück und geh hinein, geh hinunter, hinunter in ein sehr tiefes Loch, still, reglos, und dort, dort ist eine Art von… etwas Warmem, Ruhigem, reich an Substanz und sehr still, sehr voll, wie etwas Süßes, das ist deine Seele.

Und wenn man beharrlich und sich seiner selbst bewusst ist, stößt man auf eine Art von Fülle, die das Gefühl von etwas Vollständigem verleiht, das unergründliche Tiefen birgt, die, wenn man in sie eintritt, viele Geheimnisse enthüllten… wie die Spiegelung von etwas Ewigem in sehr friedvollen Wassern. Und man fühlt sich nicht länger durch die Zeit begrenzt. Man hat das Gefühl, immer gewesen zu sein und in alle Ewigkeit zu sein. So ist es, wenn man den Kern der Seele berührt hat.

Und wenn der Kontakt bewusst und vollständig genug war, befreit er dich von der Fessel der äußeren Form; du hast nicht länger die Empfindung, dass du nur deshalb lebst, weil du einen Körper hast. Das ist meist die übliche Empfindung des Wesens, so sehr an diese äußere Form gebunden zu sein, dass man an den Körper denkt, wenn man an “sich selbst” denkt.

Das ist die übliche Sache. Die persönliche Wirklichkeit ist die Wirklichkeit des Körpers. Erst wenn man sich um die innere Entwicklung bemüht und versucht hat, “etwas” im eigenen Wesen zu finden, das ein wenig beständiger ist, beginnt man zu fühlen, dass dieses “Etwas”, das durch alle Zeiten und allen Wechsel immer bewusst ist, dass dieses Etwas “ich selbst” sein muss.

Das jedoch erfordert bereits ein Studium, das ziemlich tief ist. Andernfalls, wenn du denkst: „Ich werde dies tun“, „Ich brauche das“, ist es immer dein Körper, eine kleine Art von Wille, der ein Gemisch von Empfindungen, von mehr oder weniger verworrenen Gefühlsreaktionen und noch verworreneren Gedanken ist, die ein Gemisch bilden und von einem Impuls, einer Anziehung, einem Wunsch, einer Art von Willen beseelt sind; und all das wird augenblicklich „ich selbst“ – aber nicht direkt, denn man stellt sich dieses „Ich“ nicht unabhängig von Kopf, Rumpf, Armen und Beinen und allem, was sich bewegt, vor – es wird eng miteinander verbunden..

Erst nachdem du viel nachgedacht, viel gesehen, viel gelernt, viel beobachtet hast, beginnst du zu erkennen, dass das eine mehr oder weniger unabhängig vom anderen ist, und dass der Wille dahinter, es entweder handeln lässt oder nicht, und dann fängst du an, dich mit der Bewegung, der Tätigkeit, nicht mehr völlig zu identifizieren, zu erkennen, dass etwas in der Schwebe ist. Doch um das zu erkennen, hast du viel zu beobachten.

Und dann musst du noch viel mehr beobachten, um zu sehen, dass dies, das zweite, was da ist, diese Art von aktivem, bewussten Willen von „etwas anderem“ in Bewegung gesetzt wird, das beobachtet, urteilt, entscheidet und versucht, seine Entscheidungen auf Wissen zu gründen – das geschieht noch viel später.

Und daher, wenn du beginnst dieses „etwas andere“ zu sehen, beginnst du zu erkennen, dass es die Macht hat, die zweite Sache, die ein aktiver Wille ist, in Bewegung zu setzen; und nicht nur das, sondern dass es eine sehr direkte und sehr wichtige Wirkung auf die Reaktionen hat, die Gefühle, die Sinnesempfindungen, und dass es schließlich Kontrolle über alle Regungen des Wesens zu haben vermag – dieser Teil, der wacht, beobachtet, urteilt und entscheidet.

Das ist der Anfang der Kontrolle. Wenn man sich dessen bewusst wird, hat man den Faden ergriffen, und wenn man von Kontrolle spricht, weiß man: “Ah, ja, dies ist es, was die Macht der Kontrolle hat. So lernt man sich selbst beobachten.

~ Die Mutter – Questions and Answers 1957-58


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Das seelische Wesen: Die Seele: Ihre Natur, Aufgabe und Evolution

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