Das verfeinerte Element in der Natur ist weiblich. Die größere konstruktive Kraft – männlich. Klarer im Schauen ist das Wesen der Frau! Geschickter, dieses Geschaute zu verwirklichen – der Mann! Das spirituelle Auge der Frau sieht stets weiter als der Mann – die spirituelle Macht des Mannes zu schaffen, was das Weib sieht, ist größer. Die Intuition der Frau geht dem Manne voraus, wie die Rauchsäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht dem auserwählten Volke vorausging. Unter Frauen gibt es viel mehr Clairvoyantes! Frauen sind auch die ersten, um neue spirituelle Wahrheiten zu erfassen, wie sie auch am längsten religiösen Bräuchen treu bleiben, aus der tiefen Intuition heraus, dass die Kirche die Wurzel sei, aus der dereinst ineinander blühen soll, was jetzt als Wissenschaft und Religion getrennt und feindlich scheint. Die Frau erkennt direkt ohne die mühsame intellektuelle Abwicklung von Ursache und Folge, sie springt die Wahrheiten an!
In allen Stadien seelischen Wachstums wird der innere Blick der Frau klarer sein als der des Mannes – der Mann aber wird stets befähigter sein zu verwirklichen, was ihm die weibliche Psyche zeigt. Und für die speziellen Fähigkeiten eines bestimmten Mannes gibt es nur einen bestimmten weiblichen Scharfblick, der erkennt, wie und wann diese Fähigkeiten zur besten Entfaltung gelangen können. Weib und Mann sind wie Auge und Hand in einer wahren Ehe.
Der weibliche Geist ist ein notwendiger, unentbehrlicher Teil des männlichen Geistes. Auf anderen Ebenen des Seins, wo Mannheit und Weibheit ihre wahren Beziehungen besser begreifen und auf der Höhe dieser Beziehungen stehen, strömt wechselweise eine Macht von Geist zu Geist, die unsere arme Phantasie schwerlich zu ermessen vermag. Weil in diesen Sphären der Existenz jeder Gedanke, jedes Ideal, jeder Traum Realität wird. Aus den vergatteten spirituellen Kräften eines Mannes und einer Frau können im schöneren Sein, wie aus dem Vollendeten, alle Wünsche sich zu lebendigen Dingen kristallisieren.
Der Eckstein dieser Macht liegt in jeder Ehe des rechten Mannes mit der rechten Frau – der ewigen Ehe der Seinsverschmelzung der Prädestinierten. Für jeden geschaffenen Mann ist auch eine Frau geschaffen, die zu ihm und nur zu ihm steht, die einzige, die es für ihn in dieser wie in jeder anderen möglichen Welt gibt. Ihr ewiges Leben, wenn beide relativ vollkommen geworden sind, ihre Relation begriffen haben, wird ein ewiger Liebesrausch sein. Viele, die von Ewigkeit füreinander bestimmt sind, leben heute unglücklich zusammen. Aber in anderen Verkörperungen als andere physische Individuen, mit andern Namen, werden sich ihre höheren und entwickelteren Seelen wiedererkennen. Die wahre Frau eines Mannes, ob ihr Geist im physischen Leben gerade einen Leib zum Vehikel hat oder nicht, ist das einzige Wesen im Universum, das diesem einen Manne zu der höchsten Geisteskraft verhelfen kann, deren er fähig ist. Und Gedanken, aus dieser Quelle geschöpft, haben gerade die für seinen Intellekt nötige Eigenart; gerade das, was er im Augenblick für sein Werk, seine Unternehmungen und Geschäfte braucht, wird die Frau mit Seherkraft erschauen! Der wahre Gatte einer Frau ist wieder das einzige Wesen im Universum, dem die Fähigkeit verliehen ist, die Vision der Frau zu verwirklichen. Dieses Ineinanderstrahlen von Kräften ist die Einheit – das neue Wesen, das sie bilden, nicht die Kinder, die sie physisch zeugen. Die Frau vermag durch ihre feinere psychische Organisation Gedanken, besser Intuitionen, höheren Grades zu empfangen! Sie ist die empfindlichere Membran für die Schwebungen im spirituellen Ozean. Er hat den stärkeren Intellekt für das rauere Stratum des Lebens, um die Intuitionen der Frau in den Dingen der Erde zu realisieren.Doch den höheren Intellekt,der die ganz feinen, mächtigen Gedanken empfängt, hat er nicht. Hinter allen großen Männern, in jeder Phase, jedem Grad der Lebensentwicklung, hinter jedem Erfolg und jedem Unternehmen steht immer irgendwo, sichtbar oder unsichtbar, eine Frau, – die Weckerin!
Die Frau hat heute mehr Macht und übt mehr Macht, als sie selbst ahnt. Überall wirken ihre Inspirationen, deren sich der Mann, dem Grade seiner Feinfühligkeit entsprechend, bewusst wird. Der Beschenkte aber nimmt auf, ohne zu ahnen, dass sie es ist, die ihn beschenkt, und sie gibt, ohne um ihre Gabe zu wissen. Was man ihre „müßigen Gedanken“, ihre „phantastischen Grillen“ nennt – dies spielerische Bauen von Luftschlössern ist die fruchtbare Erde, aus der die Saat der Wirklichkeit schwillt. Es ist eine Wahrheit, dass wertvolle Ideen stumm – ohne dass ein Wort gewechselt wird – verschenkt werden können. Ärger noch ist es, wenn der feinere, mächtigere Gedanke von dem einen zum gröberen Intellekt des anderen fließt und als Tausch für seinen Schatz niedrigere Geisteswellen zurückempfängt. Dann denkt, fühlt und handelt der vornehmere Mensch unter seinem Range, er denkt Gedanken, die unter ihm sind – die wesensfremden des ungleichen Genossen.
Die Frau ist nicht das schwächere, nur das feinere Gefäß, das den unirdischen Wein der Geistigkeit trägt. Oder sie ist dem Manne, was die Magnetnadel des Kompasses dem Steuer des Schiffes ist. Da sie das feinere Instrument darstellt, so bedarf sie größeren Schutzes – wie der Seemann seinen Kompass oder Sextanten vor störenden Einflüssen schützt. Wird dieses feine Instrument, dazu geschaffen, höchste Intuitionsströme zu registrieren, zugleich der groben Natur ausgesetzt (das heißt: gezwungen, die Arbeit des Mannes zu tun), so wird es stumpf, verliert seine Sensitivität, und nun leidet der Mann Schaden, da ihm das Instrument, das er missbraucht, nicht mehr die Wege weisen kann. Er leidet an Gesundheit wie Vermögen.
Darum sagte Christus von Maria, sie habe das bessere Teil erwählt, da sie sich nicht zur Hausmagd erniedrigte gleich Martha.
Es liegt nur an unserer Barbarei, dass Hausarbeit als Frauenberuf betrachtet wird! Diese Arbeit innerhalb der vier Wände, wo Kochen, Bettenmachen, Reinigen, Kinderwarten und noch zwanzig andere Pflichten in einem einzigen Vormittag auf die Frau fallen, ist weit erschöpfender als pflügen oder irgendeine einzelne Tätigkeit üben, sei es Handwerk oder Studium oder Büroarbeit. Denn je mehr verschiedenartige Dinge man im Sinne behalten muss, desto größere Geisteskraft muss nach den verschiedenen Richtungen ausgesandt werden. Wird die Frau derart ausgebeutet, so verliert sie die Begabung, neue Ideen zu empfangen; sie stumpft sich ab, denn die Kraft, die hierzu nötig gewesen wäre, ist in Muskelarbeit umgesetzt worden. Robotet der Mann allzusehr, so schwindet wieder seine Fähigkeit, ihre Intuitionen zu erfassen.
Kann oder will ein Mann diese Beziehung seines wahren Weibes zu ihm nicht anerkennen, so gleicht er einem Seefahrer, der einen Kompass besitzt, ohne ihn zu benützen. Wenn er unaufhörlich ihre Ideen oder Eindrücke oder Vorgefühle in Bezug auf seine Unternehmungen verhöhnt – weglächelt, wird er im Lauf der Zeit ihren Intellekt abstumpfen, ihre Intuition verkrüppeln und die Quellen ihrer Inspirationen verschütten.
Er unterbricht auf diese Weise ihre Verbindung mit den oberen Strömen schöpferischer Gedanken. Er wird ihre Gesundheit untergraben und die seine. Ihren und seinen Intellekt schädigen und sich und sie niederziehen in rohere und tiefere Schichten des Lebens.
Das sind Teile und Kräfte, die ein Ganzes geben, von der unendlichen Weisheit zusammengefügt.
Die Sage, dass Minerva dem Haupte des Zeus in voller Rüstung entsprungen sei, ist ein Symbol für den höheren Ursprung der weiblichen Weisheit.
Sie bringt aus den oberen Welten Erkenntnisse wie Blöcke Goldes mit – die Aufgabe des Mannes ist es, seinem Wissen und Können gemäß Formen der Schönheit daraus zu bilden.
Oft hat man gefragt: „Warum haben Frauen relativ so wenig ‚geleistet’, verglichen mit dem Werk des Mannes in der Technik und den andern aktiven Gebieten des Schaffens?“ Da die Frau die Gedankenbringerin ist – die Botin von oben –, so sind alle Werke zugleich ihr unsichtbares Wirken. Sie gab, ohne zu wissen, dass sie gab – der Mann nahm, ohne zu wissen, dass er nahm, solange keines wusste, dass sein wahres, sein größeres Teil in der unsichtbaren Hälfte des Lebens liegt, dass er geistige Tentakel hat, die weit hinausreichen über den Leib! Fühlfäden, die sich berühren, vermischen und unsichtbare Elemente tauschen, die Gedanken! So hat die Frau immer ihr Werk vollbracht! Die Adoration der katholischen Welt für die Jungfrau Maria entspringt jener tiefen Scheu vor dem sublimen Vehikel, das die höchste Weisheit – Christus – der irdischen Welt vermitteln durfte. Nicht bevor der Mann das weibliche Element verehren lernt, als den Träger des Agens, den Boten der höheren Einsicht, wird er selbst die Kräfte eines Erleuchteten haben.
Die Frau, die sich ihrer wahren Relation zum Manne bewusst geworden ist, hat die Pflicht, auch Anerkennung ihres Wertes zu fordern, nicht keifend als Megäre, sondern als stolze, liebende Königin, bedacht zu gefallen, doch fest beharrend, nach ihrer Einsicht zu gefallen und zu helfen. Gibt sie sich minderer Wertung preis, so ist sie gleicherweise verantwortlich für alles Leid, das beiden daraus erwächst. Jeder muss sich selbst die Gerechtigkeit erkämpfen. Sobald wir unseren Wert für andere klar erkennen, sollen wir auch die anderen diesen Wert erkennen lehren. Sehen sie ihn nicht, so dürfen wir nicht geben, bis sie gelernt haben, ihn zu sehen. Fahren wir fort zu geben, wenn unsere Gaben missachtet werden, so sind wir die größeren Sünder! Denn so verschwenden wir wissentlich das hohe Gut, das das unendliche Bewusstsein durch uns strömen lässt.
Sympathie ist Kraft. Wenn ein überlegener Geist viel an einen minderwertigen Menschen denkt, sendet er ihm einen Strom von Macht, Inspiration und Energie. Da er aber nicht gleiches zurückerhält, wird er geschädigt an Leib und Seele. Er gibt Gold und erhält Eisen. Der minderwertige Intellekt, der also vampyrhaft sich nährt, ist nur fähig, einen Teil der hohen Gabe zu absorbieren, die eben noch in seine geistige Sphäre fällt – der Rest geht nutzlos verloren. Dieser untergeordnete Geist kann aber doch der wahre Gatte sein, nur noch nicht heraufgereift zum vollen Verständnis seines ewigen Gemahls! Mann und Frau beginnen den wahren Wert ihrer Vereinigung zu begreifen, wenn sie sich verbinden in dem Wunsche, sich gegenseitig geistig gesünder zu machen – wenn sie ein großes, lebenerfüllendes Ziel sich gesetzt haben.
Sie werden erkennen, dass jeder niedere, rohe oder kleinliche Gedanke eine Schädigung ist – auch für den andern –, dass dieser Gedanke, wenn fortgesetzt, beiden Gatten verderblich werden muss. Beide werden streben, immer wachsende Kräfte zum Wohle aller zu werden. Wenn der Mann inne wird, wie der weibliche Geist neue Gedanken in ihn senkt, einer Quelle immer klarer Erkenntnisse gleich; wenn die Frau sich der unendlichen Macht bewusst wird, die in den Ebenen der Wirklichkeit vollbringt, was ihr versagt ist, – dann ist es eine wahre Ehe. Ihren gemeinsamen Weg aber mögen sie dann richten nach dem Erkennen, das aus dem Gebet um Weisheit fließt! So werden sie ihren Geist mit neuem Fleisch bekleiden! Dann sind sie auf dem Pfade zu den Wunderkräften des inneren Menschen, werden einander zu Heilern und Lenkern; sie schreiten aus dem Heute in ein immer mächtigeres, reineres Morgen.
Priester vieler Religionen sind zur Ehelosigkeit verpflichtet, nicht weil die Ehe in ihrem höchsten Sinn sie herabziehen würde, sondern weil die Frau eines wahren Priesters, das heißt, eines fast divinen Menschen, als sein spirituelles Teil gar nicht mehr auf der sichtbaren Seite des Lebens steht – von drüben aber sendet sie ihm die Inspirationen seiner Seele. Würde dieser Mann mit einer anderen Frau eng durch Bande verknüpft werden, so wäre das eine Wand, – ein gröberes Element, das ihn von seiner priesterlichen Genossin schiede: seiner wahren Frau, mit der er in irgendeiner Form der Existenz wieder vereint werden soll. Es ist Menschen und menschlichen Gesetzen unmöglich, solche zu trennen, die von Ewigkeit wahrhaft füreinander bestimmt sind.
Es gehört zu den Möglichkeiten des Seins, dass von zwei wahren Gatten der eine inkarniert ist, während der andere vielleicht eine Existenz im Unsichtbaren führt. Vielleicht wird die Zukunft eine Möglichkeit erkennen, wie durch unablässiges Verschmelzen der Gedanken zwischen solchen Getrennten selbst eine reale Berührung zustande kommen könnte. Würde der Mann eine tiefe Relation im Leben mit einer anderen Frau eingehen, so würde ihn das immer weiter von seinem ewigen Gemahl trennen; es wäre eine neue Schranke zwischen ihm und ihr. Erst viele Inkarnationen später würde er vielleicht die spirituelle Klarheit erlangen, diejenige zu erkennen, die ihm wahrhaft bestimmt ist.