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Aus: „Göttliche Erkenntnis“, von Swami Sivananda

maya

Das, was tatsächlich nicht ist, aber zu sein scheint, ist Maya. Das, was Täuschung, Moha, verursacht, ist Maya.

Maya ist Schein. Sie ist äußerer Anschein. Sie ist die täuschende Kraft Gottes.

Maya ist die täuschende Kraft Gottes. Sie ist der Mutterschoß dieses Universums. Sie projiziert diese Welt zu Seiner Lila. Geist, Verstand, Körper und Sinne sind ihre Formen. Sie ist die Energie, der Mutteraspekt, des Herrn.

So wie Hitze nicht von Feuer zu trennen ist und Kälte nicht von Eis, so ist Maya nicht von Brahman zu trennen. Sie hängt von Brahman ab.

Maya hat zahllose Möglichkeiten. Die Festigkeit des Steins ist eine Kraft von Maya. Die Flüssigkeit des Wassers ist eine weitere Kraft von Maya. Feuer ist eine dritte, die brennende Kraft von Maya. Luft ist die bewegende Kraft von Maya. Äther ist die Leere, die Raumkraft von Maya.

Die Große Illusion

Durch die Kraft dieser Maya, erscheint anstatt des Höchsten Wesens die ganze Welt. Maya schafft diese Welt, ohne Brahman im mindesten zu beeinträchtigen. Die Kraft, Unmögliches zu schaffen, ist eine Eigenheit von Maya.

Maya ist die Mutter unbegrenzter Rätsel. Maya verhüllt Brahman und läßt Es anders erscheinen, als Es ist. Sie teilt das unendliche, namen-, gestalt- und eigenschaftslose Brahman in die begrenzten Erfahrungsbereiche und gibt ihnen Namen, Formen und Eigenschaften.

Maya existiert als Ursache der Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit des Universums, aber in Wahrheit hat sie keine Wirklichkeit. Sie ist selbst ebenso ein Schein wie der Schein, den sie schafft. Man kann nicht sagen, daß sie existiert, man kann auch nicht sagen, daß sie nicht existiert. Sie ist die falsche Ursache des trügerischen Scheins. Man kann nicht sagen, was sie eigentlich ist. Sie ist unergründlich und unbestimmbar.

Maya ist weder wahr noch falsch. Sie ist wahrlich falsch und fälschlich wahr. Sie ist weder real noch irreal. Sie hat nicht die Wirklichkeit Brahmans, denn sie verschwindet, wenn Erkenntnis erlangt wird. Sie ist nicht unwirklich wie der Sohn einer unfruchtbaren Frau oder das Horn des Hasen, denn man kann ihre Gegenwart wahrnehmen.

Diese Maya ist irgendwie wie Gauklerei. Du bist verblüfft, solange Du den Gaukler nicht siehst. Sobald der Gaukler bekannt ist, weiß man, daß die Ergebnisse unwirklich sind; das Wunder endet unmittelbar. Wenn Brahman verwirklicht wird, verschwindet das Wunder des Wirkens der Maya. Du erkennst, daß das, was Dich in Staunen versetzte, nicht real ist.

Wenn der Hypnotiseur das ganze Publikum hypnotisiert, glauben alle, der Mann stiege am Seil in der Luft empor. Alle sehen, daß der Hypnotiseur ein großes Schwert verschlingt und den Körper einer Dame in der Kiste durchschneidet. Genauso seid Ihr alle von Maya und Avidya hypnotisiert und haltet diese unwirkliche Welt für feste Realität. Enthypnotisiert Euch durch das Erreichen der Erkenntnis von Brahman. Nur dann werdet Ihr die große Gauklerei der Maya verstehen.

Erscheinungsformen von Maya

Maya ist der größte Künstler und der größte Gaukler. Die Weltlinge können ihre Tricks nur schwer durchschauen. Sie täuscht die Leidenschaftlichen und die Unvorsichtigen. Sie verbirgt das Reale und läßt das Unwahre wahr erscheinen. Sie läßt das Nichtdauerhafte dauerhaft erscheinen, das Unreine rein, Schmerz als Freude und Anatman als Atman.

Du weißt, daß Du sterben wirst, und doch denkst Du, Du wirst ewig leben. Das ist Maya. Du weißt, daß die Welt voller Leiden ist, und doch erfreust Du Dich an den vergänglichen Objekten und gibst sie nicht auf. Das ist Maya. Du weißt, daß der Körper einer Frau (eines Mannes) aus allen möglichen Unreinheiten besteht, aus Fleisch, Knochen, Urin und Fäkalien, und doch genießt Du ihre (seine) Umarmung. Das ist Maya.

Maya verursacht ein falsches Glitzern und fängt die getäuschten Jivas. Sie galvanisiert ein wenig. Der Mensch ist gefangen. Er ist festgehalten im Rad von Geburt und Tod.

Unter dem Zuckerguß der Maya verbirgt sich bitteres Chinin. Hinter dem Garten der Sinnesfreuden verbirgt sich ein Schleier von Tränen. Hinter dem Lächeln einer Frau (eines Mannes) verbirgt sich Hass, Enttäuschung, Schurkerei und Unaufrichtigkeit. Hinter den roten Lippen verbergen sich Schleim und krankheitserregende Bakterien. Hinter den rosigen Wangen verbirgt sich rohes Fleisch. Hinter der heiteren Jugend verbirgt sich das Alter mit zaudernden Schritten. Hinter der Schönheit verbirgt sich Häßlichkeit. Hinter dem Zauber dieses Universums, verbergen sich Tod, Krankheiten, Schlangenbisse, Skorpionstiche, Zensur, Unehre, Erdbeben, Zyklone, Krieg und Atombomben. Laß Dich nicht von dieser täuschenden Maya in die Irre führen.

Maya bindet Dich in verschiedener Weise. Es ist schwierig, Ihr heimliches Wirken zu durchschauen. Ein Mensch entsagt der Welt. Er nimmt Sannyasa und errichtet einen Ashram. Langsam verhaftet er sich an den Ashram und an seine Schüler. Er entwickelt Standesdünkel, Sannyasa Abhimana, und Stolz auf Tyaga und Gelehrtheit.

Der Mann auf der Straße lächelt, behandelt Dich respektvoll und berührt Deine Füße. Du verhaftest Dich an ihn. Ein Mensch dient Dir, lobt Dich und macht Dir Geschenke. Du verhaftest Dich an ihn.

Ein anderer spricht freundliche Worte, gibt Dir gute Speisen und ein bequemes Haus. Du verhaftest Dich an ihn und an das Haus.

Lächeln, Zuneigung, Bequemlichkeit, Ruhm, Ehre, sanfte Worte, Frau (Mann), Kinder, Heim, Eigentum, Respekt, Ehre, Macht, Prestige, Position, Titel und Himmel, all das sind verlockende Köder, um die getäuschten Seelen zu umgarnen. Nimm Dich in acht vor dem Zauber der Maya.

Oh unwissender Mensch! Verwickle Dich nicht in den Maschen der Maya. Die ganze Welt ist ein Netz der Maya, um die unwissenden getäuschten Seelen zu fangen. Sei vorsichtig, sei achtsam, hüte Dich! Das gesamte Universum ist das falsche Glitzern von Avidya. Es ist voll von Fallen und Versuchungen. Farbe, Klang und Berührung sind die verlockenden Köder der Maya. Sex, Geld und Macht sind ihre Lockmittel. Süßigkeiten, Blumen und Gold sind der Zauber der Maya.

Die Maya des Herrn ist geheimnisvoll. Sie nimmt verschiedene subtile Formen an und täuscht den Menschen in verschiedener Hinsicht. Wenn Du Leidenschaft aufgibst, siehst Du, daß der Zorn zurückbleibt. Wenn Du den Zorn beherrschst, ist noch immer die Gier in Dir. Wenn die Gier beherrscht ist, hängt sich der Stolz fest an Dich. Wenn Du auf Tee und Kaffee verzichtest, hängst Du Dich an Milch und Früchte. Wenn Du die Zunge beherrschst, wartet das Auge darauf, Dich zu quälen. Wenn Du auf Deine alten Freunde verzichtest, hängen sich neue Freunde an Dich. Wenn Du die eine Arbeit aufgibst, wartet eine andere auf Dich.

Bei jedem Schritt breitet Maya einen Schleier aus. Denke nicht, daß Du in der letzten Phase des Sadhana nur einen Schleier zu lüften brauchst. Maya breitet zahllose Schleier aus: Verhaftung, Sehnsucht, Wunsch, Anziehung und Abneigung, Verblendung, Stolz, Eifersucht, Hass, Habsucht, Sexualtrieb, Impulse und Triebe, die fünf Koshas, das Streben nach Siddhis, falsche Zufriedenheit mit dem Sadhana, umwölktes Verstehen, Grobstofflichkeit des Verstandes, all das sind Arten ihres Schleiers. Wenn Du ein wenig unachtsam und sorglos bist, breitet sie einen Schleier nach dem anderen aus. Du hast es mit zahllosen Schleiern zu tun, die alle weggezogen werden müssen.

Vidya Maya und Avidya Maya

Maya bindet den Jiva durch Avidya, Unwissenheit, und befreit ihn durch Vidya, Erkenntnis. Sie ist sowohl Avidya als auch Vidya. Avidya Maya zieht Dich hinunter auf den Weg der Bindung und ist gekennzeichnet durch Lust, Zorn, Habsucht, Stolz, Hass usw. Vidya Maya bringt Dich auf den Weg der Befreiung und ist gekennzeichnet durch Unterscheidungskraft, Leidenschaftslosigkeit und Hingabe.

Maya und Geist

Maya manifestiert sich im menschlichen Individuum als Geist. Nur der Geist ist Maya. Maya ist nur Geist. Beherrschung des Geistes ist Beherrschung der Maya. Beherrschung der Maya ist Beherrschung des Geistes. Maya spielt durch den Geist. Maya verwüstet durch den Geist.

Maya verwüstet durch die Einbildung des Geistes. Die Frau ist nicht schön, aber die Einbildung ist schön. Zucker ist nicht süß, aber die Vorstellung ist süß. Speisen sind nicht schmackhaft, sondern die Vorstellung ist schmackhaft. Der Mensch ist nicht schwach, sondern die Einbildung ist schwach. Verstehe die Natur der Maya und des Geistes und werde weise. Zügle diese Vorstellung des Geistes durch richtiges Denken und weile in Brahman, wo es weder Einbildung noch Gedanken gibt.

Wenn Geist da ist, ist das Universum da. Im Tiefschlaf arbeitet der Geist nicht. Also gibt es keine Welt. Je mehr Du an die Objekte denkst, desto realer wird Dir diese Welt erscheinen. Die Konzeption von der Wirklichkeit des Universums wird sich steigern, wenn Du wiederholt an Sinnesobjekte denkst.

Wenn der Geist wild auf die Sinnesobjekte zuläuft, bemächtigt sich die Maya des Menschen. Maya wütet durch den Geist. Dieser niedere impulsive Geist zieht zu allen möglichen unbedeutenden Sinnesfreuden hinunter und täuscht auf verschiedenste Weise. Maya läßt durch ihre Macht im Geist Millionen von Sankalpas entstehen. Der Jiva wird eine Beute der Sankalpas.

Dieser niedere Manas kann sich nicht an Menschen heranmachen, die eine starke Unterscheidungskraft zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen haben. Maya kann sehr leicht festgestellt werden, und das Selbst kann sehr leicht verwirklicht werden von Menschen, die Unterscheidungskraft und starke Entschlossenheit besitzen. Durch diese Kräfte, nämlich Viveka und Willen, kann Maya beherrscht werden.

Das ‘Warum’ von Maya

Das Warum von Maya, das Warum des Menschen, das Warum des Universums, das Rätsel der Existenz und das Rätsel des Universums sind Probleme, die jenseits der Möglichkeiten des begrenzten menschlichen Verstandes liegen. Der Verstand des Menschen ist völlig unfähig, diese Fragen zu lösen, und je mehr er sich um sie bemüht, desto verwirrter wird er. Diese Probleme können erst nach der Erlangung von Brahma Jnana, der göttlichen Weisheit, verstanden werden. Die Antworten sind im Absoluten verschlossen, und die Türen sind für den relativen Geist und Verstand versperrt. Keine Worte können in ausreichendem Maße den Ursprung von Maya beschreiben. Nur wer Atma Jnana erreicht, nachdem er Maya überwunden hat, weiß, was Maya ist, wie sie entsteht und zerstört wird.

Das Warum der Maya kann man nur verstehen, wenn man die Kenntnis von Brahman erlangt. Zermartere Dir nicht jetzt Dein Gehirn, um das Warum der Maya zu verstehen. Du wirst in keiner Schrift eine Antwort finden. Das Warum ist an sich eine logische Absurdität. Du kannst nur ein Warum in weltlichen Fragen haben, wo Buddhi wirkt. Es kann kein Warum geben für Fragen auf transzendentaler Ebene, wohin ein grobstofflicher, begrenzter und durch Zeit und Raum bedingter Verstand nicht reichen kann.

Jeder, der sich darum bemüht hatte, die empirische Welt zu begründen, wurde auf jedem Schritt mit Unwissenheit konfrontiert und war gezwungen zuzugeben, daß der menschliche Intellekt nur so weit gehen kann und nicht weiter. Alle, die die Wahrheit gesehen haben, alle Acharyas, Propheten, Philosophen, Metaphysiker und Theologen sind vollständig gescheitert.

Daher bitte bemühe Dein Gehirn nicht länger über den Ursprung dieser Maya. Sondern frage nach den Mitteln, um sie zu zerstören. Wenn sie zerstört ist, wirst Du verstehen können, wie sie entstand, woher sie entstand, was ihre Natur ist, und wie sie vergeht. Wenn Du eine Injektion von einer Dosis Jnana bekommst, wirst Du nicht im Ozean unheilvoller Wiedergeburten versinken. Die schreckliche Maya gibt es tatsächlich nicht.

Maya – ein negatives Sein

Das Fehlen von Licht ist Dunkelheit. Dunkelheit ist keine wirkliche Wesenheit. Dunkelheit hat ein negatives Sein. So hat Maya ein negatives Sein. Wenn das Licht gebracht wird, verschwindet die Dunkelheit. Genauso, wenn Erkenntnis kommt, verschwindet Maya.

Der Schleier verhüllt die Schönheit. Der Topf verbirgt den Ton. Der Ring verbirgt das Gold. Der Elefant verbirgt das Holz. Die Süßspeise verbirgt den Zucker. Das Tuch verbirgt den Faden. Der Nagel verbirgt das Eisen. Avidya verbirgt die Ewigkeit. Formen verbergen Brahman. Hinter dem Schleier der Maya verbirgt sich Brahman. Durchbrich den Schleier. Nimm das Licht der Lichter wahr.

Die Lebensreise am Pfad der Erleuchtung ist lang und beschwerlich. Sie verlangt aufrichtiges, ernsthaftes und praktisches Bemühen mit unerschrockener und unermüdlicher Energie. Gib unnütze Diskussionen auf. Schreite rasch am Weg voran. Iß die Frucht.

Ein Mensch, dessen Kleider in Flammen stehen, wird sofort zum Wasser laufen. In der Hitze des Moments, wenn er sehr verzweifelt ist, wird er nie fragen, wie das Feuer entstanden ist oder wie seine Kleider Feuer gefangen haben. Genauso, wenn Du in diesem schrecklichen Rad von Samsara, von Geburt und Tod, mit viel Kummer, Heimsuchungen, Schmerzen und Versuchungen gefangen bist, mußt Du tun, was Du kannst, um Dich der Maya zu entledigen. Es gibt Möglichkeiten, um Maya zu zerstören. Nach dieser Zerstörung wirst Du das Warum und das Wesen der Maya verstehen.

Erwache aus dem Schlummer der Unwissenheit. Entwickle Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidung und frage: “Wer bin ich?” Du wirst Dich aus den Fängen der Maya befreien. Du wirst die ewige Wonne Brahmans erfahren.

Halte durch. Schufte weiter. Schreite mutig voran. Sei regelmäßig in Deinem Sadhana. Übe ewige Wachsamkeit und Innenschau. Bete. Mache Japa. Verehre Gott und meditiere. Maya kann Dich nie, nie erreichen. Du wirst immer die Gnade Gottes erfahren. Alle Schleier werden weggezogen werden.

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