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Vorrede

Bessere Amerikaner sterben nicht mehr – sie sagen, es sei eine mindere Gewohnheit – freudlos und zeitraubend! – Etwas für zurückgebliebene Europäer allenfalls, sie aber streiken, – bilden einen Trust – wollen nicht, – tun einfach nicht mehr mit – Punktum!

Auch gute Christen, die ohnehin ihr unsterbliches Teil haben, und gute Theosophen, denen Millionen Wiederverkörperungen durch den Mitgliedsbeitrag garantiert scheinen, schließen sich voll Eifer der Bewegung an! Das Offert ist zu günstig! Weg mit dem Tod wie mit der Matura. Ohne Angst und Krampf soll künftig in die höhere Daseinsklasse aufgestiegen werden.

Außerdem – Zeit ist Geld, auch zwischen den Inkarnationen; – und scheint es nicht überhaupt entschieden sicherer, das Bewusstsein gleich mit hinüberzunehmen? – Endlich – soll man denn jedesmal immer wieder die „Verba auf mi“ lernen und welches die beste Zahncreme ist und wie man Flanellwäsche behandelt – wirklich zu fad!

So spricht mancherlei dafür, mit dem Unfug des Sterbens endgültig zu brechen, und in Amerika hat sich auch während der letzten zwanzig Jahre ein förmliches Rastaquerotum der Unsterblichkeit herausgebildet, das banditenhaft dem Schicksal die Pistole vorhält, aber statt: „Geld oder Leben“ – unbescheidener: „Geld und Leben“ fordert!
Mannigfach an Art, an Namen und Methoden ist der neue Weg.

Revolverheilige verkünden einer aufhorchenden Elite, wie durch die Macht des menschlichen Blicks der Geschäftsfreund hypnotisiert und erwerbsunfähig gemacht wird – wie jedoch die gleiche Kraft, nach innen gewandt, die Zellen des eigenen Leibes unbegrenzt zu erneuern vermag. Verdauungsmystiker hinwiederum suchen durch den Magensaft des ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Ganze Sekten aber stellen ihre Betten in den magnetischen Meridian des Ortes, um von den Erdströmen zu profitieren. Andere wieder tragen zur lsolierung gläserne Sohlen und werden noch extra zweimal in der Woche elektrisch geladen wie die Leidener Flaschen. Viele sitzen Tag und Nacht in der Zugluft, das Prana aus dem Äther saugend, wieder andere machen sich total passiv und lassen herrenlose Gedanken und Gefühle in sich strömen wie in einen Gasometer. Auch Christian sience tut, was sie kann, – zehn- bis zwanzigpferdekräftige Gebete sind selbst minderbegabten Schülern der Mrs. Eddy ein Leichtes!

Jeder Tag bringt neue Lebenselixiere!

Dazwischen schießen immer neue religiöse Sekten auf – immer noch ein christliches Glaubensdetail, über das die Geister nicht zur Ruhe kommen, stets verquickt mit einem Heilverfahren! Von beiden Seiten, zugleich physisch und psychisch, wird der Tod wie ein Tunnel angebohrt!

lnbrünstiger Schwachsinn durchglüht die Gemüter, gestählt durch den Mut der Unwissenheit!

Alle aber verbindet ein Ingenieur-Pantheismus! Die Vorstellung vom lieben Gott als einem unendlich pferdekräftigen Dynamo; es kommt nur darauf an, sich durch einen Gebets- oder sonstigen Transmissionsriemen mit dieser Urmaschine in Verbindung zu setzen, und das kleine Pumpwerk „Ich“ bleibt ewig im Gang!

Überschäumende Gläubigkeit – kritiklos wohl und vielfach kindisch – liegt diesem Treiben zugrunde, das aber beglänzt scheint von Lebendigkeit – der hochgemuten Lebendigkeit eines religiösschöpferischen Volkes.

Der gute Europäer ist für dergleichen wohl zu gebildet!

Die einzig höhere Macht, an die er glaubt, ist das Doktorat – macht’s, und glaubt auch weiterhin daran – das eine Dauerwunder dieser subalternen Ära!

Fiele Manna vom Himmel, kein Gebildeter rührte es an, ehe nicht ein Hofrat und vier Professoren in beglaubigtem Attest seine völlige Unschädlichkeit dargetan hätten!

Keine Sorge!

Von lebenslänglicher Bildung erdrückten Völkern fällt kein Manna vom Himmel; da versiegen die Quellen der Unmittelbarkeit!

Was Bildung sein sollte: von den Gipfeln aller Erfahrung, von dem Kronengrat aller Erkenntnis auffliegen mit ungebrochenen Schwungfedern zu eigenstem Erschauen.
Das ist sie den Wenigen – Erlesenen. Die Vielen fallen in die Bildung hinein wie in eine Gletscherspalte, um nie wieder die lieben Sterne zu schauen – sei diese Spalte nun, der Mode der Zeit entsprechend, die Weltanschauung des Aristoteles, die Lehren der Kirchenväter oder die Dogmen der Aufkläriker.

Wenn sich aber in einem hochrassigen Volk mit wildwachsenden Instinkten ein Willenswirbel ins Metaphysische bildet, welcher Art er auch sei, da sollte der Hellhörige hinhorchen. Mögen die Formen der Bewegung noch so roh und plump und materiell erscheinen – im ewigen Rhythmus, gleich einer ungeheueren Litanei brandet hier das Peinen nach Vergottung empor. Der Schrei nach andersartiger Erfahrung aus inneren neuen Sinnen heraus! Der Mut zum Anderswollen, dem immer noch ein Weg zum Anderskönnen entsprang! Es gibt Formen der Mystik, die man „Heliotropismus“ des Menschen nennen könnte. Wie wir an den Verkrümmungen von Pflanzen, die im Dunkeln wachsen, nicht an den sonnenvollen, die Gesetze des Heliotropismus erkennen, so weisen sich an oft grotesken Verrenkungen, an Irrnissen der Suchenden die Wege, auf denen ihre Seelen ins Licht wachsen! Organe der Sehnsucht ringen sich aus dem Sein wie Tastranken ins Werden.

Im Zentrum eines jeden metaphysischen Willenswirbels aber steht – der Eine, in dem die Sehnsucht einer ganzen Zeit sich niederschlägt zu reiner, großer Form, eh‘ diese Sehnsucht wiederum verroht – versandet – versinkt. Auch in Amerika war dieser Eine der Wellenerreger. Doch Ätherwellen pflanzen sich bisweilen leider auch in gröberer Materie fort, und hinter einem Wirbel von Humbug verschwand dieser Einzige.

Er hieß Prentice Mulford und war – Journalist!!! Der Erleuchtete ist nämlich immer genauso, wie man ihn nicht erwartet. Nach Zeit und Ort wird ihm die Maske gewählt. Suchte man ihn nach Buddhas Beispiel unter Königssöhnen – war er ein Zimmermannskind! Hält man seit Jakob Boehme ein Auge auf den Schuster – wird er plötzlich Journalist. Der nächste Heiland ist vielleicht in seinem bürgerlichen Beruf Chauffeur!

Prentice Mulford ist ein Heiliger „full of go“ , einer von der Rasse Johannes V. Jensens, ein Durchschiffer spiritueller Ozeane, einer, der in geistigem Kosmos so taghell sieht, mit solchen Falkensinnen wie Jensen auf unserer Erde! Er ist das Genie der Pietätlosigkeit! Seine Weisheit wuchert wild wie ein Dornbusch – der brennende Dornbusch seiner Weisheit! Nie wird ihm eine Erkenntnis aus zweiter Hand. Wollte unser Herr Jesus Christus ihn in eine längere Offenbarung verwickeln, er würde vielleicht höflich, jedenfalls entschieden ablehnen und zöge es vor, sich seine Informationen vom lieben Gott direkt zu holen.

Die schweigende Kraft inbrünstiger Sehnsucht ward ihm zur Wünschelrute, die zu den lebendigen Quellbrunnen seines Inneren führt. Nun tritt er die Pilgerschaft an ins eigene Ich und wird der Entdecker, der Eroberer neuer Welten; jede Fiber ist erkennendes Subjekt geworden, in jedem Ganglion brechen Gehirne ins Bewusstsein, und jedes spiegelt einen neuen Kosmos – jedes ein lodernder Wegweiser auf dem Pfad der Freude!
Und er beginnt zu winken, trunken von Magie – alle heranzuwinken auf diesen Pfad der Freude.

Gerne stelle ich ihn mir vor unter kalifornischem Himmel – ausgestreckt -, die nackten Füße an die Rinde eines Riesenbaumes stemmend -, wie er seine Botschaft hinausschreit, monoton und inbrünstig wie ein Vogellied – wie die Amsel ihren Schrei in die Sonne – stark und gleich!

Er beginnt Essays zu schreiben, und sie tragen seltsame Namen: Die Kirche des schweigenden Verlangens. – Die hohe Kunst des Vergessens. – Die Religion der Kleider. – Was sind spirituelle Gaben? – Das Tischgebet oder die Wissenschaft des Essens. – Ehe und Auferstehung. – Wohin wir wandern, wenn wir schlafen. – Der Bann oder die Gesetze der Abwechslung. – Der Zweck eines Zimmers. – Der innere Arzt. – Wie man neue Gedanken erlangt. – Unsterblichkeit im Fleische. – Und so weiter.

Jedes Wort ist mit jenem Fluidum ethischer Kraft geladen, das aus lntuitionen von unbeschreiblicher Macht und Süße fließt. Immer derselbe Rhythmus – gleich einem basso ostinato: Gedanken sind Dinge, Gedanken sind so wirklich wie Wasser und Luft und Metall, sie wirken in- und außerhalb des Körpers, sie gehen von uns zu anderen, nah und fern, ob wir wachen oder schlafen, sie bauen und zerstören unaufhörlich unsern Leib; und darin liegt unsere wahre Stärke. Denn alles, was wir klar, wirklich, unverrückbar wollen,ist unser – jedes Zweifeln,jedes Schwanken zerstört den Kristall der Wirklichkeit, der sich aus der Gedankenlösung um uns zu bilden beginnt. Der Quellbrunn ewiger Jugend, Jugend des Leibes und Jugend des Geistes, fließt aus einer Stimmung des Gemüts – the serene mood – dem Halkyonischen –: wer das in seinem Herzen halten kann, unverrückbar, ist Herr über das Leben. Es ist der Stein der Weisen; was es berührt, muss sich wandeln zu Gold und Unsterblichkeit.

Für Prentice Mulford ist „Wirklichkeit“ nur eine imaginäre Grenzlinie im Fluss des größeren Seins – einfach eine Hilfskonstruktion gleich der Abszisse und Ordinate in der analytischen Geometrie –: wenn die Kurve des Geschehens die Abszisse schneidet, heißt sie Wirklichkeit, im anderen Fall Gedanke, die Kurve selbst aber ist kontinuierlich, es gibt keine Trennung beider Erscheinungsformen, die durch Ursache und Folge wechselseitig verknüpft scheinen und unaufhörlich ineinander übergehen.

Sie ineinander überleiten – mühelos, nach Willkür -, lehren Mulfords Essays. Das Leben in seiner Größe hat ja geheime Gesetze, die nur der kennt, der wirklich das Leben lebt. Ihnen entgegenhorchen, ihren leisesten Zeichen folgen – hemmungslos – ist oberstes Gebot! Sie wirken, ob wir sie leugnen oder nicht; wer wider sie verstößt, wissend oder unbewusst, ist abgeschnitten von den Pfaden der Höhe – kehren sich doch die Folgen unserer Fehler nicht daran, ob wir sie absichtlich begehen oder nicht! Krankheit, Unglück, Verfall und Tod sind Folgen solcher Fehler wider ein verborgenes Gesetz. Phänomene sagen leider nicht: „Pardon, wir sind noch nicht erklärt – also schnell zurück ins Unerschaffene!“ In letzter Linie aber läuft eben alles immer wieder auf die sokratische Grundanschauung zurück: Schuld ist mangelndes Wissen – daher ist Gutsein mit Weisesein identisch und weise mit glücklich – und als allgemeine Folgerung reiht sich hieran: Die Tugend ist lehrbar (Tugend natürlich im weitesten Sinne gefasst).

Dem Profanen kann es in bestem Falle gelingen, das „Beast“ Leben zu bändigen und an die goldene Kette zu legen. – Prentice Mulford ist Herr über die magische Gebärde, die es zum Märchenprinzen wandelt, um ewig eins zu sein mit dem Erlöser.

Und nun ist es entzückend zu sehen, wie ihm kein Ding zu niedrig und gering erscheint, um nicht als einer der unzähligen Keime zu dienen, aus dem dereinst unbeschreibliche Kraft und Schönheit entspringen mag! Spricht er doch zu den Menschen der Welt, zu Goldgräbern, Kaufleuten, Cowboys und Millionären! Was hülfe es, ihnen zu sagen: Konzentriert euch auf das Absolute! Nicht beim Absoluten, – bei den Schuhriemen lässt er die Konzentration beginnen, lehrt bei jeder noch so kleinen Tätigkeit nur diese denken, nicht zugleich die vierzig anderen Dinge, die dann zu tun sind! Wer beim Schnüren seiner Schuhe jeden anderen Gedanken auszuschließen vermag, steht auf der ersten Stufe zu seinem Glück – er hat die Fähigkeit des Wegdenkens nach Willen; von Qual und Traurigkeit löst er sich frei, ist Herr über den lnhalt des Bewusstseins! Und er lehrt die Stetigkeit des Wunsches, sich in Gedanken immer an den Platz zu stellen, an dem man dereinst stehen will, und die Kunst, schädliche Gedankenströme von sich abzulenken; er zeigt, wie jedes Verweilen bei den Fehlern anderer eben diese Fehler in uns selbst hineinprägt, denn jeder unfreundliche, bittere Gedanke ist eine schädliche materielle Substanz, die wir in unseren Körper einlassen; und Schritt für Schritt kommt die Erkenntnis, wie wir immer wieder falsche Überzeugungen sozusagen in unseren Leib einbauen, wie wir förmlich darauf warten, in einem bestimmten Alter der Schwäche und dem Greisentum anheimzufallen, hoffnungslos und ergeben. Wie wir lernen sollten, die millionenjährige Todeserfahrung des Organischen, die in unserem Blute kreist, zu bannen; denn durch alle Wunder, auf allen Hochwegen der Vererbung schleicht uns dieses nach – dies Wissen –, nein, bloß dies Erinnern an den endgültigen Zerfall der Zellen.
Prentice Mulford selbst ist leider noch gestorben – aber gewiss zum letztenmal; und auch das war sicher pure – Schlamperei!

Bittet, so wird euch gegeben, klopfet an, so wird euch aufgetan. Wie zu bitten, wo anzuklopfen – das hat er gelehrt. Er führt uns bis an das verhangene Allerheiligste des Selbst. – Eintreten muss jeder allein.

Sir Galahad

InhaltsverzeichnisEinige Gesetze der Kraft und Schönheit

 

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